Der Bader (Elektro Rindle) damals und heute

Gegenüber der Kirche, in der Hauptstraße 2 (heute Elektro Rindle) stand das kleine Haus des ehemaligen Dorfbaders.
Bader und Schmied, Wagner und Zimmermann waren sog. „ehehafte Gewerbe“, d. h. sie mussten für die Dorfbevölkerung gegen Geld oder Naturalien arbeiten, welche einmal jährlich Anfang Januar zu entrichten waren. So ruhte auf dem Hause des Baders über mehrere Jahrhunderte bis zum Jahre 1869 eine Baderehehaft. Hier befand sich die Badestube, eine hygienische Einrichtung des Mittelalters, da man in den Häusern noch kein Badezimmer kannte.

Alle Samstage pflegte man sich dort zu baden. Um 14 Uhr läutete die Glocke Feierabend, und Knechte, Mägde, Tagelöhner, Bauern und Bäuerinnen gingen in die öffentliche Badestube, um den Schmutz der alten Woche abzuwaschen. Samstags wurde der Körper gereinigt, um sonntags die Seele vor Gott rein waschen zu können. Vielleicht eine für uns heute primitive Vorstellung; aber die Menschen waren glücklich dabei. Und manchmal könnte man meinen, dass unsere Ahnen die besondere Fähigkeit, glücklich zu sein, mehr besaßen bei all ihrer oft bitteren Armut als wir.

Natürlich kamen beim Baden manche Krankheiten zutage. So avancierte der Dorfbader auch gleichzeitig zu einer Art von Naturheilkundigen. Ja, er war sogar mehr, denn er übte die niedere Chirurgie aus. Im Kirchenbuch finden wir deshalb den Bader Müller, so hieß er, einmal als Bader, einmal als Chirurgus aufgeführt. Was verstand man unter der niederen Chirurgie, und was kurierte so ein Bader? Er öffnete Abszesse, die häufig durch die weitverbreitete Unsauberkeit vorkamen, er wusch frische Wunden aller Art aus, leistete gemeinsam mit der Hebamme Geburtshilfe, setzte Blutegel an und ließ zur Ader.

Nach dieser kleinen Abschweifung wollen wir uns wieder dem biederen Dorfbader zuwenden. Sein Gewerbe wurde erst 1548 für zünftig erklärt und damit ein ehrbares Handwerk. Später, gegen Ende des 18. Jahrhunderts, wurde aus dem Bader auch der Barbier, der Bart und Haarschneider. Nach dem Bade oder sonntags vor der Kirche kamen die Männer unter das Rasiermesser. Dafür zahlten sie im Jahre einen ganzen Gulden (ein Gulden hatte 60 Kreuzer oder 15 Batzen; ein Taler hatte 90 Kreuzer), also etwa 10 bis 12 Mark. Die Gemeinde war in dieser Beziehung auch großzügig und tat etwas für die allgemeine Sauberkeit, sie gab dem Bader zur Nutznießung eine Wiese, die sog. „Schermahd“. Natürlich handelte es sich dabei um alte Regelungen betreffs der Rechte und Pflichten der Handwerker aus jener Zeit, als das Dorf sich lediglich selbst versorgen musste.

Nicht verwunderlich ist es, dass die Badestube des Dorfes auch gleichzeitig der Ort war, wo alle guten und schlechten Neuigkeiten ausgetauscht wurden. Der Bader war deshalb der Mann, der am besten wusste, wo den Bürger der Schuh drückte. So finden wir 1824 den Bader Matthias Müller im Amte des Dorfvorstehers. Er war der Großvater des Hauptlehrers Vinzens Müller, der 1926 die erste Chronik von Ettringen geschrieben hat, deren Inhalt in meiner Arbeit mit von grundlegender Bedeutung war. Der Sohn von Matthias Müller, Alois (geb. 1822), hat 46 Jahre lang das Amt des Vorstehers bis 1899 ausgeübt. Die alte, fast historische Badestube ist beim Umbau des Elektrogeschäfts Rindle im Jahre 1968 abgerissen worden.

Durch den Anschluss des Dorfes an die Elektrizitätsversorgung begann im Jahre 1929 Anton Rindle mit der Ausübung des Berufs eines Elektroinstallateurs und eröffnete dann bald ein kleines Elektrogeschäft. So gingen mit der Zeit alte Berufe und Gewerbe ein und an ihre Stelle traten andere. Das hat sich bis zum heutigen Tage nicht geändert. Doch nun wieder zurück zum alten Bader Müller, in dessen Familie Rindle eingeheiratet hatte.(…)
Text: „Drei schwäbische Dörfer erzählen“ von Dr. Martin Kleint


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