Ettringer Festwoche im Jahre 1952

Auszug aus der Ortschronik von 1952

Originaltext:

„Das Bezirksmusikfest in Ettringen

Eine Woche verkehrte eine Straßenbahn zwischen Adlerwirt und Festplatz, damit der weite Weg nicht zu Fuß zurückgelegt werden musste

Eine Woche verkehrte eine Straßenbahn zwischen Adlerwirt und Festplatz, damit der weite Weg nicht zu Fuß zurückgelegt werden musste.

Das Dorf stand am Samstag und Sonntag völlig im Zeichen des Bezirksmusikfestes.
Fünfzehn Kapellen gaben sich ein Stelldichein. Auf allen Straßen klangen die Posaunen, schmetterten die Trompeten und dröhnten die Trommeln.
Hunderte von Besuchern säumten am Sonntag  Nachmittag die Straßen, als sich der bunte Festzug mit zahlreichen Festwagen durch das Dorf bewegte.

Die 22 Mann starke Festkapelle unter der Stabführung ihres Dirigenten Josef Walleshauser

Die 22 Mann starke Festkapelle unter der Stabführung ihres Dirigenten Josef Walleshauser

Mit dem Festmarsch aus dem „Sommernachtstraum“ eröffnete  am  Samstag Abend die 22 Mann starke Festkapelle unter der Stabführung ihres Dirigenten Josef Walleshauser die Festwoche.

Obmann Thomas Bauer begrüßte die Ehrengäste, worauf Bezirksmusikleiter Schneider – Türkheim der Festkapelle die Glückwünsche zum 40 jährigen Bestehen überbrachte. Der 2. Vorsitzende des Bundesverbandes, Anselm Holzheu – Buchloe, wies in seiner Festansprache auf die Bedeutung der Blasmusikkapellen im kulturellen Leben des Landes hin. Herr Lehrer Franz Hildisch gab seinen Rückblick auf die Geschichte der Blasmusikkapelle Ettringen.

Fast genau vor 40 Jahren war es, als Bürgermeister Johann Büschl eine Ettringer Blasmusikkapelle ins Leben rief.
Wohl gab es schon früher eine kleine Hausmusik , die sich aus 3 oder 4 Mann zusammensetzte, aber bei größeren Veranstaltungen musste immer fremde Verstärkung herangezogen werden. Um 1860 schon hatten die Ettringer ihren Haus- und Hofmusikannten, einen gewissen Bartholomäus Schreiber, genannt der blinde Bartl, weil er von Geburt an blind, dennoch das Violinspiel gut beherrschte und bei Hochzeiten und sonstigen Anlässen gern gesehen und gehört war.

Es war 1912 für Bürgermeister Büschl nicht allzu schwer, in dem musikfreudigen Dorf 17 Musikanten um sich zu scharen und knapp vor der Ernte eine Blasmusikkapelle aus der Taufe zu heben. Als Gründer lieh er dem damaligen Verein aus eigener Tasche 1700 M. zur Instrumentenbeschaffung. Zu dieser Zeit ein schöner Batzen Geld, der erst im Jahre 1925 mit einer letzten Rate an den Bürgermeister zurück bezahlt wurde.

Erster Musikmeister und Lehrer der Ettringer Kapelle war der Augsburger Musikmeister Richard Wagner, der manchen der Männer, die noch keine Ahnung  vom „Tuten und Blasen“ hatten, erst die Noten beibringen musste.

Erster Dirigent der Kapelle war der heutige Ehrendirigent und Protektor des Musikfestes, Schreinermeister Xaver Miller.

Gleich im 1. Weltkrieg verlor die Kapellen eines ihrer Gründungsmitglieder und heute sind von den 17 „Anfängern“ noch neun im Ort. Seine Blütezeit erlebte der Verein im Jahre 1934.

Im Festgottesdienst erwähnte H.H. Pfarrer Britzelmeier, Siebnach, die Bedeutung der Musik auch im kirchlichen Leben und legte vor allem der Jugend ihre Pflege warm ans Herz.

Vom Gutsgebäude am Kellerberg, wo der Festgottesdienst hunderte von Menschen andachtsvoll vereint hatte, marschierten die Musikkapellen und Fahnenabordnungen zum Kriegerdenkmal, vor dem Ehrendirigent Xaver Miller unter den Klängen  vom „Guten Kameraden“ einen Kranz zum Gedenken an die Gefallenen niederlegte.


 

1952 Juli 06

Ein klingender Festzug

geschmückte Landauer

geschmückte Landauer

Um 14 Uhr bewegte sich, vorbei  an einem dichten Menschenspalier, der lange Festzug durchs Dorf. Insgesamt  16 Musikkapellen und 15 Festwagen und Gruppen bereicherten das malerische Bild des Festzuges. Es war wie eine endlos klingende Kette. Kaum hatte eine Kapelle die Instrumente abgesetzt, fiel eine neue ins schmetternde Spiel ein. Voraus auf tänzelnden Pferden eine schmucke Reitergruppe, dann die Jugendkapelle Mindelheim, die Gründungs- und Altmusikanten in geschmückten Landauern, die Musikkapelle Oberneufnach, der Liederkranz Ettringen, der Orchesterverein Türkheim, der Turnverein Ettringen und die Jugendkapelle Waal-  Waalhaupten. Ihr schloss sich der Trachtenverein auf zwei prächtigen Festwagen an, dann folgten die Musikkapelle Waal, der Wagen der Heimatvertriebenen mit dem Wappen der Landsmannschaften, die Musikkapelle Lamerdingen, der Veteranenverein Ettringen, die Musikkapelle Weicht und der Schützenverein Ettringen.  Auf einem Wagen rollte die Musikkapelle Gennach vorbei, auf weiteren Wagen sah man die Preisrichter und Honoratioren, dichtauf dann die Musikkapelle Langerringen, die Jungbauern von Ettringen auf einem sehr schönen Wagen mit Symbolen des Ackerbaues, dann die Musikkapelle Pfaffenhausen, die Gutsverwaltung Ost- Ettringen mit einem Modell des Gutes auf dem Festwagen….

Die Gutsverwaltung Ost- Ettringen mit einem Modell des Gutes auf dem Festwagen

Die Gutsverwaltung Ost- Ettringen mit einem Modell des Gutes auf dem Festwagen

die Musikkapelle Markt Wald, dem Wagen der Waldarbeiter, die Musikkapelle Siebnach, dem Festwagen der Jäger mit einer lebenden Sau, die Musikkapelle Kirchheim, der schöne Wagen der Papiermacher mit großen Rotationsrollen. Die Musikkapelle Jengen, die „Sieben Schwaben“,  die mit ihrem Spieß auf ein Haken schlagendes Häschen Jagd machten,  die Blaskapelle Ettringen und das Dienstpersonal des Roten Kreuzes bildeten den Abschluss.

 

 


 

1952 Juli 08

Ettringen beging den Tag der Feuerwehr

Am Dienstag, den 08. Juli feierten die Ettringer ihren Tag der Feuerwehr. Mit 26 Mann, einer TL 8. , einer Handdruckpumpe aus dem Jahre 1897, einer (Magazin ?)schiebeleiter und einer Schlauchkapsel stand die Wehr Punkt 19.00 Uhr vor der Turnhalle, als Kreisbrandinspektor Karl Steinberger – Bad Wörishofen zur Besichtigung vorfuhr.

Eine kleine Trockenübung des Motorspritztrupps, dann wurde Großalarm gegeben. Wenige Augenblicke nach dem Signal stand die Wehr mit allen Geräten am Korneshof, der als Brandobjekt diente.  Nach 5 Minuten zischte aus drei Strahlrohren Wasser.
Rasch griff auch die Türkheimer Feuerwehr ein, die kurz nach dem Alarm eingetroffen war.
Die Übung erwies, dass die Ettringer und Türkheimer Feuerwehr im Ernstfall 100-prozentig einsatzbereit sind.
Sorge bereitet allerdings noch die ungenügende Wasserversorgung durch Hydranten.

Auch die Mannschaftsstärke, führte Kreisbrandinspektor  Steinberger in seiner Kritik aus, müsste in Ettringen mindestens 42 Mann betragen. Er appellierte an die Jugend, sich dem Ruf der Feuerwehr nicht zu verschließen.

Die Wehren aus Ettringen, Hiltenfingen, und Türkheim marschierten anschließend mit der Festkapelle hinaus zum Festzelt. Am Kriegerdenkmal gedachte Kaspar Böck, der Obmann der Ettringer Wehr in ehrenden Worten der 36 gefallenen und 11 vermissten Feuerwehrleute des letzten Krieges. Unter den Klängen des „Guten Kameraden“ legte er einen mächtigen mit Rosen geschmückten Kranz nieder.

Im Festzelt konnte der Obmann unter den Ehrengästen auch stellvertretenden Landrat Bürgermeister Singer – Türkheim begrüßen.

Anschließend nahm der Kreisbrandinspektor die Ehrung dreier langjähriger Feuerwehrmänner vor.

Für 40 jährige Dienste im Feuerlöschwesen erhielt der heimatvertriebene ehemalige Landesfeuerwehrführer aus Troppau Dipl.-Ing. Paul Patzer die Anerkennungsurkunde des Bayerischen Staatsministeriums.
Die Gebrüder Anton und Kaspar Böck konnten die Ehrenurkunde für 25 jährige Dienstzeit entgegen nehmen.

Beim gemütlichen Teil des Abends zeigten Kreisbrandinspektor Steinberger und Bürgermeister Singer – Türkheim, dass sie auch als Dirigent der Musikkapelle ihren Mann stehen.


 

1952  Juli 09

Der große Bauerntag in Ettringen

Der „Tag der Bauern“ lockte das Landvolk in großer Zahl in das festliche Dorf. Schon am frühen Nachmittag fanden sich zahlreiche Bauern zur Besichtigung der Versuchsfelder des Gutes Ostettringen ein. Landwirtschaftsrat Tiefenthaler – Augsburg und Verwalter Fürst gaben die sachkundigen Erklärungen, die mit großem Interesse aufgenommen wurden. Das Gut unterhält Versuchsfelder für frühe, mittelfrühe und späte Kartoffelsorten sowie für die verschiedenen Arten von Sommer- und Wintergetreide. Die Versuchsfelder umfassen eine Fläche von 2 Hektar und stehen unter ständiger Überwachung des Saatzuchtamtes beim Landwirtschaftsamt Augsburg, das selbst die Aussaat, Ernte und Auswertung der Versuchssaat vornimmt.

In seinem Vortrag, den er vor mehreren hundert Bauern im Festzelt hielt, betonte Landwirtschaftsrat Tiefenthaler, die Landwirtschaft müsse auch heute noch das Hauptgewicht auf den Anbau legen und dürfe nicht die Viehzucht als das lohnende Arbeitsgebiet betrachten. Er übte Kritik an der Verdienstspanne beim Milchpreis und an der Buttereinlagerung. Der Bauer müsse einen gerechten Milchpreis bekommen, aber es sei unverständlich , dass der dazwischenliegende Handel nochmals so viel verdienen solle als der Erzeuger erhalte. Ebenso könne die Bauernschaft nicht verstehen, dass der Staat Butter in riesigen Mengen einlagere und sie dann abstoßen müsse, weil  sie in ihrer Haltbarkeit versage.
Hier gebe es einen Weg, den schon die Bäuerinnen vor 20,50 und 100 Jahren gekannt hätten: Man könne die Butter in Schmalz auslassen und dadurch vor dem Verderb bewahren
Während heute mehr Butter erzeugt als verbraucht wird, ist die Nachfrage nach Brotgetreide ständig am Wachsen. Brotgetreide werde immer auf dem Markt gefragt sein und einen lohnenden Preis finden. Freilich müsse der Bauer stets darauf bedacht sein, nur das Beste auf den Markt zu bringen, sei es an Kartoffeln, Getreide oder sonstigen Erzeugnissen.

Die Landwirtschaftsämter würden mit ihren Saatzuchtanstalten und Vermehrungsbetrieben wertvolle Hinweise für den richtigen Anbau geben. So empfahl er den Landwirten, die wegen ihrer Güte immer mehr gefragte Kartoffelsorte „Maritta“ , die bestimmt in der nächsten Zeit, die heute noch am meisten gebräuchliche Sorte „Ackersegen“ ablösen werden.
Als weitere mittelfrühe vorzügliche Speisekartoffel empfahl er die Sorte „Sieglinde“. Die bei uns vorherrschende Getreidesorte im Winteranbau sei der Taca -Weizen. Er nannte noch weitere empfehlenswerte Sorten und legte den Bauern auch den Anbau von Lein und Flachs ans Herz.

Verwalter Fürst gab einen kurzen Überblick über die Bedeutung und Größe des Gutes Ostettringen, das sich als anerkannter Meisterbetrieb hauptsächlich mit der Saatzuchtvermehrung befasst. Im Jahre 1841 legte ein Großbrand die meisten Gebäude in Schutt und Asche. 1859 ging es in Graf Rechenberg’schen Besitz über. Früher besaß das Gut eine eigene Brauerei und Bierschänke. Heute jedoch betreibt es lediglich noch die Schnapsbrennerei, der bei einer Eigenerzeugung von 7000 Zentnern Kartoffeln pro Jahr eine große wirtschaftliche Bedeutung zukommt.

Landwirtschaftsdirektor Schopper – Mindelheim betonte, die Ernährungswirtschaft sei heute oft starker Kritik ausgesetzt und das mit Recht, denn der Erzeuger bekomme nicht den zum Leben notwendigen Preis, während auf der anderen Seite der Verbraucher hohe Preise bezahlen müsse. Hier gelte es noch manches zu verbessern.  Auf keinen Fall brauche der Bauer heute sich irgendwelche Sorgen um den Absatz seiner Erzeugnisse zu machen. Die europäische Ernährungslücke werde auch in den nächsten Jahren kaum kleiner werden.
Als Mittel zur Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung nannte er die Flurbereinigung, eine zweckmäßige Fruchtfolge, ein öfteres Umbrechen der Wiesen.

In seinem Schlusswort sagte er:  Die ganze Welt verlangt heute mehr Brot. Darum erzeugen Sie billiger und mehr!


 

1952 Juli 13

Zum Abschluss der Festwoche startete ein kleiner Festzug, an welchem sich diesmal auch Trachtenwagen von Bad Wörishofen, Königsbrunn.. beteiligten, durch die Straßen des Dorfes.

Im Anschluss daran verbrachte man die feucht – fröhlichen Stunden im Festzelt, in welchem der Festwirt alles getan hatte, um seine Majestät den Festbesucher aufs Beste zu bewirten, während die Blaskapelle für angenehme Unterhaltung sorgte.“

Ettringens "Straßenbahn" pendelte eine ganze Woche lang im Großeinsatz zwischen den beiden Endstationen "Adlerwirt" - "Ostettringen Festplatz", so dass der weite Weg nicht zu Fuß zurückgelegt werden brauchte.

Ettringens „Straßenbahn“ pendelte eine ganze Woche lang im Großeinsatz zwischen den beiden Endstationen „Adlerwirt“ – „Ostettringen Festplatz“, so dass der weite Weg nicht zu Fuß zurückgelegt werden brauchte.

 


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