Als die Großeltern noch Kinder waren
Siebnach (emf). Wie immens die gesellschaftlichen Veränderungen sind, die sich in den letzten 50 Jahren vollzogen haben, das macht man sich meist erst dann bewusst, wenn man aus besonderem Anlass direkt darauf gestoßen wird.
Ein solcher Anlass ist jetzt das 50-jährige Bestehen des Kindergartens St. Georg Siebnach.
Dieser runde Geburtstag soll am Sonntag, 23. Mai 2004, groß gefeiert werden: mit einem Gottesdienst um 10 Uhr in Kirch-Siebnach, mit Ansprachen und einem Tag der offenen Tür mit Kaffee und Kuchen, Mitmachtheater für Kinder und vielen fröhlichen Spielen.
Präsentiert und zugunsten des Kindergartens verkauft wird bei dieser Gelegenheit auch das Kochbuch „Küchenschätze“. Die Rezepte wurden von Kindergartenfamilien aus Siebnach gesammelt, und Bürgermeister Robert Sturm wird darin sein Lieblingsmenü preisgeben.
Seit Monaten bereitet sich das Kindergartenteam aus Sonja Miller, Doris Wucherer und Sigrid Wagner auf den großen Tag vor. Ein wichtiger Punkt ihrer Bemühungen war es, einen Chronisten zu finden, der die Entwicklung der Einrichtung dokumentiert. Mit Stefan Schmid erklärte sich dazu der ideale Autor bereit-
Stefan Schmid war Zeitzeuge
„Ich kann mich mit Recht als Zeitzeuge bezeichnen,“ sagt Schmid in seinem Vorwort zu der von ihm mit großem Fleiß und spürbarer innerer Beteiligung verfassten und bebilderten Chronik. Für ihn begann die Geschichte dieser Institution bereits im Jahr 1937, als die Nazis verfügten, dass im Dorf ein Kindergarten eingerichtet werden müsse.
„Von Anfang an musste ich den Kindergarten besuchen. Auch als ich 1939 eingeschult wurde, brachte ich oft meine jüngeren Geschwister zum Kindergarten oder holte sie wieder ab,“ erinnert sich Schmid. „Auch meine fünf eigenen Kinder besuchten alle den Siebnacher Kindergarten. Als Gemeinderatsmitglied wurde ich immer wieder mit den Problemen des Kindergartens konfrontiert.“
Auch viele andere Siebnacher haben damals selbst den Kindergarten besucht und bringen heute ihre Kinder und Enkel dort hin. Sie werden sicher mit Interesse lesen, was Schmid zusammen getragen hat, und es durch eigene Erinnerungen ergänzen können.
„Tanten“ statt Erzieherinnen
Offiziell beginnt zwar die Geschichte erst im Jahre 1954, als die Gemeinde unter Bürgermeister Hyazinth Baumann einen neuen Kindergarten baute. Schmids Chronik aber setzt schon 1936 an, als die Kinder noch von „Tanten“ betreut wurden und im alten Pfründehaus von Bürgermeister Josef Sirch untergebracht waren.
„Gerne gingen die wenigsten Kinder in dieses Provisorium,“ schreibt Schmid. „Man konnte es ihnen auch nicht verdenken, es war alles zu eng und zu klein.“ Die jungen „Tanten“ wechselten häufig. Sie kamen meist von auswärts und sorgten für Unruhe bei den „Romeos“ in der Männerwelt.
Während des Krieges, so Schmid, wuchs die zu betreuende Kinderzahl, denn die Väter waren im Feld, die Mütter mussten auf den Höfen schuften. Kurz vor Kriegsende schloss dann dieser Kindergarten.
Ein neuer wurde bald dringend nötig, konnte aber erst 1954 errichtet werden. Treibende Kraft war Pfarrer Ignatz Britzelmayr. Als Grundstück fand sich nach längerem Suchen das Baumlager von Peter Vogt an der heutigen Mühlenstraße. Erste Kindergärtnerin war Paula Müller.Bald musste der Kindergarten wegen mangelnder Belegung wieder schließen. 1966 wurde er unter Leitung von Josefine Rolly wieder eröffnet. Massive Beanstandungen gab es in jener Zeit durch das Jugendamt. Die Räumlichkeiten, ihre schlechte Ausstattung und die mangelnde Ausbildung der Kindergärtnerin wurden kritisiert. Da die Gemeinde wegen der angespannten Finanzlage daran nichts ändern konnte, wurde die Einrichtung 1977 wieder geschlossen.
Erst 1978, nach der Eingemeindung, tat sich wieder etwas. Die Trägerschaft wurde der katholischen Kirchenstiftung übertragen, es wurde umgebaut und renoviert, und 1979 konnte der erweiterte Kindergarten eröffnet werden. 1987 kam Dr. Kucia als neuer Pfarrer in die Pfarrei. Nach einigen Turbulenzen übernahm in der Folge die Gemeinde wieder die Trägerschaft.
Montessoripädagogik
1991 legten viele Eltern mit Hand an bei der Erweiterung des Kindergartens auf zwei Gruppen. Heute wird die Einrichtung St. Georg im Sinne der Montessoripädagogik geführt und genießt im ganzen Umkreis einen so guten Ruf, dass auch Kinder aus der Nachbarschaft ihn besuchen. Seit 2002 werden im Rahmen der Einzelintegration auch behinderte Kinder betreut.
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