Blick zurück: Die Ära der Schülerblaskapelle

Noch nie hat sich unser Rektor Helmut Schroller gerne mit Halbheiten zufriedengegeben; das Bestmögliche sollte es sein!
„Nicht kleckern, sondern klotzen!“ war schon immer sein bekannter Wahlspruch. Umso mehr mußte dies für ein Vorhaben gelten, das bis dahin einmalig war an Schwabens Schulen: die Gründung einer Schüler – Blas – Kapelle!
Gezündet wurde die Idee bei einer Schulleitertagung in Sonthofen. Hier spielte die weithin bekannte Jugendkapelle Sonthofen unter dem Bezirksdirigenten Arthur Engeser groß auf und beeindruckte unseren Chef so sehr, daß er seitdem mit der Blasmusik „schwanger“ ging.
Schon nach kurzer Schwangerschaft setzten bei der Einweihung der neuen Schule in Ettringen die „Geburtswehen“ ein: Rektor, Bürgermeister, Architekt und Lehrerschaft setzten sich zusammmen und brachten den Plan der Schulblasmusik zur Welt. Glück kam dazu, denn der Dirigent, Ausbilder und Mädchen für alles war schon vorhanden! Er wurde vom Chef kurzerhand „überzeugt“!
Nun galt es, das „Blasmusikkind“ aufzupäppeln. Zum Teil auf abenteuerliche Weise wurden die nötigen Instrumente beschafft, repariert requiriert, zusammengebettelt, geordert. Die Aufstellung der aktiven Mannschaft war dann eine Kleinigkeit: Mittels einer der inzwischen berühmten und gefürchteten Lautsprecherdurchsagen wurden Mädchen und Buben gewonnen und zum Schul-Bläser Dienst rekrutiert. 22 Musikanten der ersten Stunde probten vom Januar 70 an regelmäßig zweimal am Nachmittag – nicht selten unter den wohlgefälligen Augen und Ohren des Rektors!

Wer Vater geworden ist, möchte natürlich seinen Nachwuchs der staunenden Umwelt vorzeigen. Unser Rektor opferte dafür schon im März 70 – nach erst zwei Monaten Proben – eine sechste Unterrichtsstunde! Alles, was zur Schule gehört, versammelte sich in der großen Pausenhalle, um der Premiere der Schülerblaskapelle beizuwohnen. Zwar standen, wie nicht anders zu erwarten, nur vier Stücke auf dem Programm, aber der Auftritt wurde ein Beifallserfolg. Schon im Juni folgte ein Bläserständchen für Bürgermeister Hartmann zum 60. Geburt-stag – ein weiterer Förderer der Kapelle neben Rektor Schroller war damit gewonnen! Die erste große „Presse“ erhielt die Ettringer Schülerblaskapelle anläßlich des Besuchs von Bischof Stimpfle an der Verbandsschule im Juni 1970.

 

Dasselbe Jahr 70 brachte noch recht viele und erfreuliche öffentliche Auftritte für die Schüler-blasmusik:

Unser „Kind“, die Schülerblaskapelle, war ein Jahr alt geworden; stramm gewachsen war es und laufen konnte es auch schon recht beachtlich. Kein Wunder bei diesen (geistigen) Vätern! Und
schon sollte es Zuwachs bekommen: Planmäßig wurde eine starke Nachwuchsgruppe aufgebaut, um Lücken schließen und den „Sound“ verstärken zu können. 19 neue Bläser(innen) stießen Ende 70 zur Kapelle! Rektor Schroller sah das Anwachsen mit Vaterstolz!

Das Jahr 1971 wartete im Februar mit einem Höhepunkt für Schule und Blasmusik: Rektor Schroller war Gastgeber für die „Amtliche Arbeitstagung der Lehrkräfte“ im Kreis Mindelheim.
Jetzt konnte er die Überraschung, die ihm damals in Sonthofen widerfahren war, seinerseits den staunenden Kollegen weitergeben.

Schulrat Mick und die Lehrerschaft waren verblüfft von dem gesunden Ettringer Schul-Parade-Kind „Musik“. Insbesondere die neue „Wunderwaffe Blasmusik“ traf voll – Ettringen konnte
sich sonnen im Glanz der polierten Instrumente und der wohlwollenden Anerkennung von oben!

Weitere Taten im Jahr 71 waren:

Mai: 1. Standkonzert in Siebnach
Juni: Tag des Liedes – Mitwirken in Ettringen
Juni: 1. Standkonzert in Traunried

Juli: Schulkonzert mit zwei Bläsergruppen: jun. und sen.
Juli: Umrahmung des Kreissportfestes in Wörishofen
Aug.: Festzelt in Mindelheim
Sept: Aufbau einer weiteren Anfängergruppe mit 19 Musikern
Sept: Standkonzert in Markt Wald
Dez.: Schubertmesse in Kirch-Siebnach
Dez.: Weihnachtsfeiern des Kindergartens, des TSV Ettringen und des TSV Markt Wald

Ein arbeitsreiches, erfolgreiches Jahr 71 hatte das „gehätschelte Kind Schul-Blasmusik“ erlebt, wie es den Kinderschuhen langsam entwuchs und zu einer festen Größe in Schule und Schulverband herangereift war. Auch 1972 steckte voller Überraschungen:

Apr.: Gemeinschaftskonzert mit der Blaskapelle Immelstetten
Juni: Standkonzert an der Turnhalle zum Tag des Liedes

Im gleichen Monat Juni legte die herangewachsene Schülerblaskapelle ihre „Reifeprüfung“ ab: Zum erstenmal wagte man die Teilnahme an einem Wertungsspiel des Allgäu-Schwäbischen Musikbundes in Walkertshofen.
Hier – weitab von Ettringen- sollte erprobt werden, ob unsere Musik den kritischen Ohren der Wer-
tungsrichter standhalten würde, und ob man eine Woche später im heimatlichen Ettringen unter erschwerten Bedingungen gewissermaßen dieses Wagnis wiederholen dürfte.
Öfter noch als sonst verfolgte Herr Schroller die Probenarbeit, nickte bisweilen, zog die Brauen hoch, wenn sein geschultes Musikerohr beleidigt wurde, und sah mit Befriedigung, daß man zur Unterstützung sogar noch Herrn Feigl zugezogen hatte; für die Ausbildung der Schülerkapelle war nichts zuviel! 

Der Fleiß wurde belohnt mit einem I. Rang. Dieser große Erfolg konnte auch in Ettringen wiederholt werden; die „Reifeprüfung“ war bestanden! Zum Dank dafür wurde die Kapelle neu ein-
gekleidet: Rote Westen mit Silberknöpfen und schwarze Hosen verliehen der Kapelle ein einheitliches und ansprechendes Bild.

 

Die Festwoche Ettringen endete mit einem direkten Vergleich der Schüler- und Jugendkapellen des Landkreises. Dabei konnte vor allem der Hauptkonkurrent und „Erzfeind“ – die Schülerka-
pelle Türkheim – abgehängt werden.

Rektor Schroller wird den entsprechenden Presseartikel wohl mit stolzgeschwellter Brust
gelesen haben:

Juli: Waldfest in Traunried als Festkapelle
Juli: Großer Vorspielabend in der Aula
Aug.: Waldfest am Sportplatz Ettringen
Nov.: Einweihung des Schulverkehrsgartens Ettringen

Schön artig wie es sich für Kinder geziemt gratulierte die Schülerblaskapelle ihrem Rektor zum 50. Geburtstag am 20.10.72

Das Lebensjahr 1973 unserer Blaskapelle war mehr ein Jahr des stillen Arbeitens und Aufbauens. Eine dritte Nachwuchsgruppe wurde „in Betrieb“ genommen. In Wörishofen wurde der Faschings-
umzug des Reitvereins gespielt und im „Jagdhof Schlingen“ eine Tagung bayerischer Reit- und Fahrvereine umrahmt.
Höhepunkt auch in diesem Jahr war im Juli wieder der Vorspielabend.
Die Schülerblaskapelle trat in 3 Formationen an: Anfänger Quartett, Nachwuchskapelle (17 Bläser) und Stammkapelle (44 Bläser). 
Eine absolute Spitzenleistung erbrachte die Schülerblaskapelle im Sommer 74 beim 3. Wertungsspiel in Stockheim. Es konnte ein einmaliger

                                 I. RANG MIT AUSZEICHNUNG

erspielt werden. Als einzige Kapelle in ihrer Stufe hatten die Ettringer diese Auszeichnung erhalten. Alle, die mit dieser Kapelle sich verbunden fühlten, aufbauen halfen, probten und
„mitzitterten“, konnten stolz sein.

Das darauffolgende Jahresschluß-Konzert in der Aula wurde dann auch in mehrerer Hinsicht zu einem „Triumph-Marsch“:

1. Zum erstenmal gestaltete die Schülerblaskapelle ihren ganz eigenen Vortragsabend vor      überfülltem Haus
2. Das hervorragende Wertungsergebnis wurde der breiten Öffentlichkeit bekanntgegeben
3. Die Kapelle konnte auf 5 Jahre Bestehen zurückblicken
4. Die Chronik der Kapelle wurde zur Einsicht aufgelegt.

Auch in den Jahren 1975,1976 und 1977 wurde die Praxis von getrennten Konzertabenden der Verbandsschule beibehalten. Dabei konnte die Schülerblaskapelle immer mit einem ab-wechslungsreichen Programm gefallen. Man war zu diesem Zweck inzwischen in die alte Turnhalle umgezogen, wo die Zuschauer die Akteure auf der Bühne besser sehen konnten.

Wichtige Termine in den Annalen der Kapelle waren noch der 28.12.75 mit einem großen Weihnachts-Konzert in Siebnach und auch der Juni 76 mit dem 4. Wertungsspiel in Westernach. Hier konnte die junge Truppe wieder einmal gut abschneiden mit einem I. Rang. 
Wie so oft im Leben liegen auch im Bestehen einer Blaskapelle Höhen und Tiefen nahe beieinander. Schon im Jahr des größten Triumphes in Stockheim wurde ein großes Manko dieser rein schulischen Einrichtung der Ettringer Schülerkapelle offenbar:
Mit jedem Schuljahresende verließen eine Reihe von altgedienten und damit guten Bläsern die Stammkapelle; sie waren so schnell nicht zu ersetzen!
Ein schlimmer Aderlaß war das Jahr 74, aber fast aussichtslos schien die Situation im Jahr 77, die Blasmusik war kaum weiterzuführen!
Mehr als die Hälfte aller Aktiven saßen in der 9. Klasse und gingen damit „verloren“. Was blieb war nicht einmal mehr eine Rumpf-kapelle, es waren 12 Schüler von unter-schiedlichstem Ausbildungsstand. Die junge Schülerkapelle – gerade noch kräftestrotzend und lebendig – kränkelte! Andere Symptome verstärkten das gefährliche Krankheitsbild:

Die Blaskapelle Ettringen hatte eine eigene Nachwuchsgruppe gegründet; Abwanderung war möglich geworden. Gleichzeitig ver-siegten auch die meisten finanziellen Hilfen.

Sicherlich deprimierend für Dirigent und Bläser war auch die Tatsache, wie sehr in der Öffentlichkeit Verständnis dafür fehlte, daß der Leistungsstand und das Repertoire der Schülerkapelle nicht mehr steigerungsfähig war – bedingt durch die jährlichen Entlassungen!

Alle diese „Krankheitserscheinungen“ zusammen bewirkten einen bedenklichen Zustand des erst 8 Jahre alten Aushängeschildes der Ettringer Schule, und trotz Medikamenten und Beatmung auf
der Intensivstation war das Kind „Blasmusik“ zum Sterben verurteilt.

Mit dem Ende des Schuljahres 77 trat der plötzliche Herzstillstand des Patienten ein, bei dem alle Wiederbelebungsversuche erfolglos geblieben waren. Nicht einmal die zeitweilige Verpflichtung des Lehrers Stefan Probst als „Bassist im Aufbau“ konnte den Herzinfarkt der Schülerblaskapelle aufhalten – vielleicht paßte „Lehrerblut“ nicht in den Körper des Ensembles!

Unserem scheidenden Rektor Herrn Schroller bleibt nach diesen Betrachtungen zum Höhenflug und Niedergang eines musikalischen Ettringer Schulproduktes die Gewißheit und der Trost, ein quicklebendiges und lautstarkes Kind gezeugt zu haben, es acht Jahre lang aufgepäppelt und ernährt zu haben, an seinen Erfolgen und Glanzlichtern teilgenommen zu haben und es schließlich nach einem überraschenden „Tod durch höhere Gewalt“ begraben zu haben.

Herr Schroller möge stets daran denken: Die Ettringer Schülerblaskapelle war bestimmt wert, gelebt zu haben – und er selbst hatte daran einen entscheidenden Anteil!

                                                                                                   Engelbert Hinterreiter                                    

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