Blick zurück: Ortspolizeiliche Vorschriften von 1887

Aus dem Archiv von Andreas Scheitle

A: Zum Reichs-Strafgesetzbuch.
Zu § 366 Ziff.10 des R.-St.-G.-B., Art.90 und 94 des R.-St.-G.-B.
1. Innerhalb der Ortschaften hat jeder Eigenthümer eines Gebäudes oder anderen Grundbesitzes, bezw. der Pächter, Miether oder Nutznießer desselben für die Reinhaltung der Strassen, dann der dazu gehörigen Fußwege und Gräben von Schutt, Koth und anderem Unrathe zu sorgen.
2. Die Reinigung obliegt denselben für die Länge des an die öffentlichen Strassen, Gassen und Wege anstoßenden Grundbesitzes, dann bis zur halben Breite der Strasse oder Gasse und hat regelmäßig an jedem Samstag, oder wenn dieser ein Feiertag ist, am vorhergehenden Werktage zu geschehen.
3. Beim Eintritt von Glatteis sind dieselben Personen  verpflichtet, für die Länge des betreffenden Grundeigenthums innerhalb der Ortschaften die vorhin Ziffer 1 bezeichneten Fußwege sofort mit Sand, Asche oder anderen zweckentsprechenden Gegenständen zu bestreuen.
Bei starkem Schneefalle haben sie ferner für die Fußgänger Bahn zu machen und auf spezielle Anordnung der Ortspolizeibehörde auf die von derselben bestimmten Plätze die auf den Strassen neben dem bezüglichen Grundbesitze lagernden Schnee- und Eismassen zu verschaffen.

4. Es ist verboten, auf den Ortsstrassen oder öffentlichen Plätzen, oder in deren unmittelbaren Nähe Dünger, Küchenabfälle oder anderen Unrath, dann Glasscherben, Ziegeltrümmer oder ekelerregende Gegenstände abzulagern, auszuschütten oder auszuwerfen. Ebenso ist es verboten, auf solche Strassen und Plätze Jauche aus Düngerstätten, Jauchen Gruben, Odelfässern oder aus Stallungen, dann Abtrittsflüssigkeiten auszuschütten, bezw. dahin abzuleiten oder ablaufen zu lassen.
5. Bei Fuhrwerken, soferne sie während der Nacht ohne Störung des freien Verkehrs auf der Strasse stehen bleiben können, ist die Deichsel entweder durch Aufstellen oder mittels Anbringung eines festen Strohbundes an ihrer Spitze gehörig zu verwahren.
6. Bei Schneebahn sind die Gespannthiere mit einem ordentlich vernehmbaren Schellengeläute zu versehen.
7. Die unmittelbar an den Ortsstrassen stehenden Bäume und Gesträuche sind von deren Besitzer so auszuästen und auszuschneiden, daß der Fahrverkehr durch überhängende Aeste und Zweige nicht gestört oder belästigt werden kann.
8. Beim Ein- und Ausfahren aus Gebäuden, in engen Strassen und über Brücken muß im Schritte gefahren werden; in langsamer Gangart ist zu fahren um Strassenecken, ferner sobald ein Fuhrwerk mit einer größeren Ansammlung von Personen oder Viehheerden zusammentrifft.Diese Vorschrift gilt auch für die durch Menschen bewegten Fahrzeuge.
9. Es ist verboten, auf Fußwegen zu reiten oder Vieh zu treiben; dieselben dürfen nur mit von Menschenhand bewegten Fuhrwerken befahren werden.
10. Wer beim Ackern, Befahren oder Eggen der Felder entweder selbst oder durch seine Angehörigen Humus oder Dungstoffe, dann Wurzeln oder Unrat auf die Gemeindeverbindungswege gebracht hat, ist verpflichtet, diese Gegenstände binnen 24 Stunden von der Straße wieder zu entfernen.
11. Sogenannte Klee- oder Feldsteine dürfen aus den Aeckern auf die Gemeindeverbindungswege nur in Haufen und am Rande derselben abgelagert werden.
12. Baumstämme dürfen außer in Nothfällen auf den Gemeindeberbindungswegen nicht geschleift werden.
13. Innerhalb von Ortschaften ist muthwilliges Peitschenknallen verboten.

Zu § 368 Ziff. 2 des R.-St.-G.-B.
Im Frühjahr müssen Innerhalb der Ortschaften die Obstbäume, Gesträuche und Hecken von den Eigentümern oder Nutznießern gehörig abgeraupt werden.

B. Zum Polizeistrafgesetzbuch vom 26. Dezember 1871 und zwar: In Art. 46 Abs. II.
Personen, welche sich nicht gewerbsmäßig mit der Beförderung von Fremden befassen, sind gehalten, die bei ihnen einkehrenden und über Nacht verweilenden fremden Personen, deren Aufenthalt nicht durch polizeiliche Anmeldung legitimiert ist, binnen 24 Stunden der Ortspolizeibehörde anzuzeigen.
In Art. 49.
Die Aufnahme oder Entlassung von Ortsfremden oder Taglöhnern, die nicht in Familienverhältnissen leben, ist von demjenigen, welchem dieselben zur Wohnung überlassen sind, binnen 3 Tagen der Ortspolizeibehörde anzuzeigen.
In Art. 50.
Personen, welche Wohnungsräume in Miethe oder sonst zum Gebrauch überlassen, sind verpflichtet, die erfolgte Überlassung binnen 3 Tagen der Ortspolizeibehörde anzuzeigen.
Zu Art. 51.
Das Herumziehen von Personen zu Weihnachten, Neujahr oder zu anderen Festzeiten in Wirthshäusern, Privathäusern oder auf öffentlichen Straßen oder Plätzen zum Zwecke der Erlangung herkömmlicher Geschenke ist verboten.
Zu Art. 61 Abs. 1 Ziffer 3.
1
. Die Angehörigen Verstorbener und zwar in erster Reihe das Familienoberhaupt, dann dessen Stellvertreter haben für gehörige Bewachung der Leichen zu sorgen und hiebey jedes ungebührliche Zechen und Spielen hintanzuhalten.
2. Leichen von Erwachsenen, d. h. von Personen über 16 Jahre, müssen in Gräbern von mindestens 1,7 Meter und Leichen von Personen unter 16 Jahren in Gräbern von mindestens 1,2 Mtr. Tiefe begraben werden.
Zu Art. 62.
Leichen dürfen bei warmer Witterung gar nicht, außerdem aber nur dann öffentlich ausgestellt werden, wenn sie keinen ekelerregenden Anblick darbieten und wenn die betreffende Person nicht an einer ansteckenden Krankheit verstorben ist.
Zu Art. 73 Abs. I.  
1. Die Anlage von Abtrittgruben innerhalb der Umfassungsmauern eines Wohn- oder mit ihm unter einem Dache befindlichen Oekonomiegebäudes ist verboten.
      Diese Gruben müssen von den Gebäudemauern durch eine wenigstens 12 Centimeter starke Thon- oder Lettenschichte isolirt und deren Boden- und Seitenwände stets aus dauerhaftem Material unter Ausschluß von Holz vollkommen wasserdicht hergestellt werden.
2. Die Abdeckung aller Abortgruben muß luftdicht und sicher sein.
3. Was in Ziff. 1 bezüglich der Gruben zu Abtritten in Wohngebäuden bestimmt ist, gilt auch für die Gruben zu neuen Abtritten in der Nähe von Wohnungen, wenn die Abtrittgruben nicht wenigstens drei Meter von den letzteren entfernt sind.
      Abtritte zu errichten, die nicht in vorschriftsmäßig hergestellte Gruben einmünden, ist verboten.
4. 
Die Anlegung von Abortgruben in geringerer Entfernung als sechs Meter von Brunnen oder Brunnenquellen, dann zwei Meter vom Rande der Straße und öffentlichen Plätze ist untersagt.
5. Die Entleerung der Abortgruben muß stets so rechtzeitig erfolgen, daß eine Überfüllung derselben vermieden wird. Alle Abortanlagen samt Zugehörungen sind stets in gut baulichem Zustande zu erhalten.
6. 
Versitzgruben, Dunggruben, Jauchengruben und Jauchenbehälter dürfen innerhalb der Umfassungsmauern von Wohngebäuden oder mit diesen unter einer Bedachung befindlichen Oekonomiegebäuden nicht angelegt werden. Die Anlage von Versitzgruben außerhalb dieser Mauern ist nur dann zulässig, wenn die Beseitigung von Abwässern in anderer Weise nicht bewerkstelligt werden kann. Diese Gruben müssen von Brunnen oder Brunnenquellen mindestens 10 Meter, vom Rande der Straßen und öffentlichen Plätze mindestens 2 Meter entfernt angelegt werden.
7. Die Anlage von Dunggruben, Jauchenbehältern und Jauchengruben in geringerer Entfernung als 6 Meter von Brunnen oder Brunnenquellen und 2 Meter vom Rande der Straßen und öffentlichen Plätze ist verboten.
   Sind neu anzulegende Dung- und Jauchen-Gruben oder Behälter nicht wenigstens 10 Meter von Brunnen oder Brunnenquellen, dann 3 Meter von Wohngebäuden entfernt, so müssen dieselben hinsichtlich der wasserdichten Ausmauerung nach Maßgabe der für die Abortgruben oben unter Ziffer 1 erlassenen Bestimmungen angelegt werden.
   Das Gleiche gilt hinsichtlich der Wandungen der in einer geringeren Entfernung als 3 Meter von Wohngebäuden anzulegenden Versitzgruben; dieselben müssen überdies tiefer als die Grundmauern der nächsten Gebäude hinuntergeführt werden.
8. Die Eindeckung aller Versitzgruben muß luftdicht, jene der Jauchengruben und Jauchenbehälter in einer die öffentliche Sicherheit nicht gefährdenden Weise geschehen.
9. Abtritte außerhalb der Gebäude auf öffentliche Wege, Straßen und Plätze zu anzubringen, ist verboten. Wo solche bereits bestehen, müssen deren Schläuche oder Gehäuse stets bis zur Grubeneinmündung reichen, und in gutem Zustande erhalten werden.
10. Neu hergestellte Wohnungen oder Wohnungsräume dürfen erst dann bezogen werden, wenn durch das Gutachten eines Sachverständigen bei der Ortspolizeibehörde nachgewiesen ist, daß dem Beziehen in Hinsicht auf die Gesundheitspflege kein Hindernis im Wege steht.
Zu Art. 75 Abs. I und II.
1.Verboten ist der Ausschank des in die sogenannten Unterständer abgelaufenen oder in den Trinkgeschirren der Gäste stehen gebliebenen Bieres.
2. Bei Anfertigung von Würsten dürfen Spritzen mit Röhrchen von Messing, Gelbguß oder Kupfer, beim Abzapfen von Wein, Branntwein oder Essig Hähne von Messing nicht verwendet werden.
3. Die Lokale, in welchen verkäufliche Nahrungsmittel, Esswaren oder Getränke zubereitet, aufbewahrt, ausgemessen oder ausgewogen werden, müssen ebenso wie die hierzu verwendeten Maße, Waagen und Geschirre stets rein gehalten werden. Kommen kupferne Geschirre zur Verwendung, so müssen solche innen gut verzinnt sein.
In solchen Räumlichkeiten dürfen sich auch keine Schlafstellen befinden.
Zu Art. 79.
Es ist verboten, an anderen als den von der Ortspolizeibehörde bezeichneten Orten zu baden.
Zu Art. 83 Ziff. 3.
1. Es ist verboten, Hunde auf Leichenhöfe, in öffentliche Theater, Fleischbänke, auf Märkte oder zu öffentlichen Feierlichkeiten mitzunehmen oder dieselben zur Nachtzeit auf öffentlichen Straßen frei herumlaufen zu lassen.
2. Läufige Hündinnen sind gehörig zu verwahren.
3.Freilaufende Hunde größerer Gattung müssen mit einem wohlbefestigten Maulkorbe aus Drahtgeflecht oder Messingreifen versehen werden.
4. Werden Hunde in Wirthschaftslokalitäten mitgenommen, so sind sie stets an einer kurzen Leine zu führen.
Zu Art. 93.
Das Abladen von Unrath, Bauschutt, Schnee und Eis an anderen als den von der Ortspolizeibehörde hierfür bestimmten Plätzen ist untersagt.
Zu Art. 95.
Das Wasser der öffentlichen Brunnen und der dazu gehörigen Tröge darf durch keine Hantirung verunreinigt werden.
Zu Art. 103.
Die Bauunternehmer haben sowohl den Beginn wie die Vollendung übernommener Bauten der Ortspolizeibehörde anzuzeigen.
Zu Art. 107 Abs. 1.
Jede Dienstherrschaft ist verpflichtet, den Eintritt und Austritt von Dienstboten binnen 3 Tagen der Ortspolizeibehörde anzuzeigen und hiebei die Dienstbücher derselben behufs Aufbewahrung vorzulegen.
Zu Art. 116.
Es ist verboten, Rindvieh, Pferde oder Schweine außerhalb geschlossener Höfe oder anderer umfriedeter Räume ohne gehörige Aufsicht umherlaufen zu lassen.
Zu Art. 120 Ziff. 1.
Es ist verboten, Hausgeflügel auf die Felder während der Saat- und Erntezeit, dann auch 3 Wochen vor der Erntezeit auslaufen zu lassen.
Tauben sind während der Frühjahrssaatzeit eingeschlossen zu halten.
Zu Art. 121.
1. Die Nachlese auf den Feldern und in den Obstbaumpflanzungen darf nur mit Zustimmung des Eigentümers, Pächters oder Nutznießers geschehen und ist vor Sonnenaufgang, nach Sonnenuntergang, dann an Sonn- und Feiertagen überhaupt verboten.
2. 
Die auf der Flurmarkung bestehenden Abzugsgräben und Durchlässe müssen von den Besitzern, Pächtern oder Nutznießern der angrenzenden Grundstücke rechtzeitig gereinigt und offen gehalten werden.
3.
Fallen oder Schlingen, die zum Einfangen schädlicher, nicht jagdbarer Thiere gestellt sind, Wische oder andere Zeichen, die ein Verbot andeuten, dann Schneezeichen dürfen von Unberechtigten nicht weggenommen oder für ihren Zweck unbrauchbar gemacht werden.
Zu Art. 143 Ziff. 1 des P.-St.-G.-B., dann § 73 der Reichsgewerbeordnung.
Metzger und andere zum Feilhalten von Fleisch berechtigte Personen, sowie Mehlhändler haben die Preise, dann Bäcker und Brodhändler haben außerdem Preise auch das Gewicht des Brodes
und der Semmeln an oder in ihren Gewerbslokalitä­täten auf eine für die Käufer sichtbare Weise anzu­schlagen.
Ebenso müssen schenkberechtigte Bräuer und Bier­wirthe die Bierpreise in allen ihren Schenklokalitätenbauf eine dem Käufer sichtbare Weise anschlagen.
Zu Art. 44 Ziff. 1 des Gesetzes vom  April 1868 über Heimath, Verseh­sichung und Aufenthalt.
Personen, welche sich in der Gemeinde aufhalten, ohne das Bürger- oder Heimathrecht daselbst zu be­sitzen, haben binnen 8 Tagen nach ihrer Ankunft hievon der Ortspolizeibehörde Anzeige zu erstatten. Ausgenommen von dieser Anzeigepflicht sind die in Art. 48 des bezeichneten Gesetzes aufgeführten Personen.

Schlußbestimmungen.
1. Konstatiert wird, daß die Feldgeschwornen der Gemeinde bezüglich der zu Art. 116, 120 Ziff. 1 und 121 des B.-St.-G.-B., dann zu §. 368 Ziff. 2 des R.-St.-G.-B. erlassenen ortspolizei­lichen Vorschriften einvernommen worden sind.
2
Durch die vorstehenden ortspolizeilichen Vor­schriften werden alle früher für die Gemeinde Erlassenen bezüglichen Vorschriften außer Wirksamkeit gesetzt.

Ettringen, den 20. Februar 1887.
Der Gemeinde-Ausschuß.     

Der Gleichlaut vorstehender, durch hohe Regierungsschließung vom 15. März 1887 Nr. 5446 als vollziehbar erklärte, ortspolizeilichen Vorschriften mit dem Originale wird hiermit bestätigt und zugleich auch die distriktspolizeiliche Vorschrift vom 23. November 1872 zu Art. 83  Ziff. 3 des P.St.G.B.die Aussicht auf Hunde betr., ausser Wirksamkeit gesetzt.                                                                                                                                                                                

Mindelheim, 18. März. 1887
Königl. Bezirksamt
Spengler
 


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