Das 12. bis 14. Jahrhundert

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Wie an anderer Stelle bereits berichtet, hatte Welf IV. 1056 drei Güter zu Ettringen der Kirche von Augsburg übergeben, als im Jahre 1079 Kaiser Heinrich IV. das Herzogtum Schwaben Friedrich von Staufen für ausdauernde Treue verlieh. Damit kam Ettringen in den Besitz der Hohenstaufer. Nach manchen Streitigkeiten und Gefechten wechselte um das Jahr 1130 Schwaben wieder in den Besitz der Welfen über und blieb da bis in das Jahr 1191.

Danach kam unser Ort abermals in die Hände der Hohenstaufer, bis zu dem Tage, an dem der 17jährige unglückselige Konradin bei der Wiedereroberung seines väterlichen Erbreiches in Italien gefangen und in Neapel hingerichtet wurde. Jetzt ging Schwaben 1268 in das Eigentum der Herzöge in Bayern über.

Im Jahre 1100 besaß die Kirche in Augsburg die genannten drei Welfengüter aus Ettringen; die anderen Höfe und der Kirchensatz gehörten der Herrschaft zu Schwabegg, wo ein Straßenvogt saß, der zugleich das verstreute Besitztum verwalten, schützen und die fälligen Steuern eintreiben musste. Die Vögte in Schwabegg waren im 11. und 12. Jahrhundert mächtige Reichsvasallen, die durch Heiraten auch mit den Burgen an der Mindel verbunden waren. Im Jahre 1167 starb Adelgoz, der letzte Erbe der Schwabegger, in Italien. Das Besitztum war verwaist und damit fiel das Schirmrecht der augsburgischen Bischöfe der Kirche selbst anheim. Schließlich setzte der Kaiser aus eigener Macht Konrad von Zeilenhart über die ledig gewordene Kirchenvogtei ein. 1208 wurde die Grafschaft Schwabegg mit allen Zubehörden an den augsburgischen Bischof Siegfried III. von Rechberg auf Hohenrechberg verkauft. Bevor er aber sich seines Besitzes erfreuen konnte, kam es zwischen dem Bischof und den eigenwilligen Schwabeggern zu heftigen Feindseligkeiten wegen eines erlittenen Schadens an den Gütern und Kirchen zu Mänchingen (Schwabmünchen) im gleichen Jahre. Durch mehrere Ausfälle aus der über dem Wertachtal gelegenen Burg hatten die Schwabegger bischöfliche Untertanen misshandelt und an ihnen allerlei Mutwillen verübt. Das ließen sich die Städtischen nicht bieten, sie machten kurzen Prozess, eroberten das Schloss, zerstörten die Burg und machten sie dem Erdboden gleich.

Im Jahre 1200 verpfändete König Philipp mehrere Güter und die Maierhöfe von Türkheim und Ettringen an den Probst zum Heiligen Kreuz in Augsburg. St. Ulrich und St. Afra in Augsburg erhielten wahrscheinlich auch Ettringer Güter. Das Kloster Altomünster besaß im 13. Jahrhundert ebenfalls aus Schenkungen der Welfen Ettringer Grund. In den Urkunden des Klosters Polling werden zwei welfische Vasallen erwähnt, Ortolf und Berchtold de Otringen, die wahrscheinlich den Maierhof verwalteten und aus niederem Stande zu Begüterten aufgestiegen waren.

Zum Besitz der Herzöge in Bayern gehörte jetzt Ettringen mit dem Erbschenkenamte und dem Schwaighof Ostettringen und Epfheim, ein zu Ostettringen gehörender verödeter, abgegangener Weiler. Dieser muss auf dem rechten Ufer der Wertach, südlich vom Gut Ostettringen, in Richtung Amberg gelegen haben. (Ob auf dem Gebiete des Weilers Epfheim der spätere Pisterhof entstanden ist, lässt sich nicht sagen.) Hier befand sich auch eine gemeinschaftliche Weide und Mahd, „das Moos“ genannt, die von Türkheimern, Ettringern, Gennachern und Wörishofern genutzt wurde. Es war ein sehr sumpfiges Gelände, welches vorwiegend mit saurem Gras bewachsen war. Im Jahre 1770 wurden diese 105 Moosteile vergeben und etwas früher die sogenannten Hausteile. Graf Rechberg leistete in diesem ertraglosen Gebiet später erfolgreiche Pionierarbeit, indem er das morastige Gelände dränierte und den Boden mit Hilfe von Kunstdünger, den Justus Liebig inzwischen erfunden hatte, für einen rentablen Ackerbau bereitete.

Ortskern 1977

Ortskern 1977

Die Situation um Ettringen begann sich gegen Ende des 11. Jahrhunderts zu verändern. Führende Kaufleute erwirkten von der lehnsherrlichen Obrigkeit Freibriefe für ihre Gemeinden. Schließlich hatten die aufstrebenden Städte gegen Ende des 12. Jahrhunderts ihre schwer erkämpfte Unabhängigkeit so weit erreicht, dass die übermütigen Lehnsherren abgeschüttelt und die altverbrieften kirchlichen Rechte beschnitten werden konnten.

 

Der aufkommende Geldbesitz verlieh jetzt bedeutend mehr Macht als der bestehende Grundbesitz. Der junge Geldadel löste allmählich den alten Grundadel ab. Im 13. Jahrhundert bildeten sich vielerorts Gemeindeversammlungen und es entstand ein gewisser Wohlstand durch den aufkommenden Handel. Kirchen, Rathäuser, Schulen und Universitäten wurden gebaut, die Städte vergrößerten sich auf Kosten des flachen Landes. In dieser Zeit ging man auch von den bisherigen Naturalabgaben auf den Geldverkehr über. Selbst die Leibeigenschaft wich allgemein dem freibäuerlichen Besitz, aber erst im 16. Jahrhundert verloren die lehnsherrlichen Gerichte die Möglichkeit der Rechtsprechung. Jetzt wählte sich die Dorfgemeinschaft ihre Amtsmänner – Ammänner.

Heute erinnert der Platz an der alten Turnhalle an das ehemalige Amtshaus, welches hier gestanden haben soll. Dieses Haus beherbergte eine kleine Wohnung für den Gemeindediener und eine ausbruchssichere Gefängniszelle.

Allmählich kam es soweit, dass die Bauern in der Nähe der Städte nicht mehr nur für den Eigenbedarf produzierten, jetzt lieferten sie Fleisch und Milch, Brot, Getreide und Gemüse an die Stadt und wurden dafür mit Geld bezahlt. Um 1300 brachen die meisten Bauern das Land noch mit hölzernen Pflügen um, die Düngung mit Mist war weitgehend unbekannt, selten waren die grob hölzernen Karrenräder mit Eisenreifen beschlagen. Die Durchschnittskuh gab bei ihrem oft minderwertigen Futter des 13. Jahrhunderts höchstens Milch für ihr Kalb und vielleicht 2 bis 3 Liter darüber.

Im Jahre 1275 legte man Gesetze und Bräuche Schwabens im sogenannten Schwabenspiegel nieder. Hier wurde der offizielle Anspruch erhoben, dass das Volk das Recht habe, seinen König zu wählen und dass der Bauer seine uneingeschränkte Freiheit wahren und seinen Grund und Boden behalten kann. Das war ein grandioser Fortschritt.

Man schrieb das Jahr 1268, und das ist wieder große Politik, verpfändete König Konradin Herzog Ludwig II. von Bayern zur Erstattung von dessen Ausgaben für die Begleitung nach Verona die Vorgtei über die Stadt Augsburg, die Burg Schwabegg mit der Straßenvogtei (von Inningen bis Schwabmünchen) und den Kirchenbesitz.

(Chonradus secundus die gratia Jerusalem et Sycilie rex, dux Sveuie … castrum nostrum Swabekk cum omni aducatia, quam aput stratam super homines et bona omnium ecclesiarum ciutatis et dyocecis habemus … )

Somit wurde hier neuer Herr der Herzog Ludwig von Bayern. Zur besseren Verwaltung wurde Schwabegg, Hiltenfingen und Türkheim zu einem „Officium Swabeck“ zusammengelegt (1291/94). Ein anderer Teil bestand aus den meisten und besten Ettringer Gütern, die das „Officium Oettringen“ bildeten. Der dritte und letzte Teil war der restliche Ettringer Besitz einschließlich einer Schwaige und eines schon damals leerstehenden Hofes in Epfheim, sowie die Vogtei über zwei Höfe in Ostettringen, die dem „Officium Maenchingen“ zugewiesen wurden. (NB! Nicht Schwabmünchen, sondern Merching im heutigen Landkreis Aichach Friedberg). Erklärbar ist diese eigenwillige und sonderbare Aufteilung durch die unterschiedlichen früheren Besitzverhältnisse der Staufer und Welfen. Wenige Jahre später wurden die beiden letztgenannten officiae, also die Ettringer Güter, aufgelöst und dem Amt Landsberg zugeteilt.

Somit war Ettringen laut eines Verzeichnisses von 1280 ein bayerisches Amt mit eigener niederer Gerichtsbarkeit und Zoll. Halsgericht und Wildbann war Vorrang der Herrschaft. Wir erfahren, weiter, dass Ettringen zu jener Zeit seine Abgaben aus dem Maierhofe, der Mühle, einer Halbhube (ca. 10 Tagwerk), dem Fischrecht, einem Holzlehen sowie dem Vogteirecht von der Kirche und von 1 1/2 Huben leistete.

Damals saß zu Ötringen ein herzoglicher Schenke (pincerna), welcher im Orte aus 3 ganzen, 3 halben und einer Viertelhube, aus 2 Tavernen (tabernae), aus einigen Feldlehen und Hofstätten Gefälle (Grundgefällsteuer) bezog.

Die Kirche nahm in ihrer konservativen Einstellung die Verschiebungen der Macht und des neu eingeteilten Rechts nicht so gelassen hin. Sie zeigte sich eher kriegerisch und materiell denkend, als demutsvoll und auf Irdisches verzichtend. Wen wundert es deshalb, dass um die wiedererrichtete Burg in Schwabegg ein neuerlicher Anspruchskampf entbrannte. 1296 befehdeten sich Herzog Rudolph in Bayern und der Bischof Wolfart in Augsburg. Er besetzte die neu aufgebaute Burg von Schwabegg mit seinen Leuten. Jedoch ist das scheinbar nicht so schnell gegangen, denn es wird berichtet, dass längere Zeit um den Besitz dieser Feste hart gerungen wurde, wobei viele Menschen Gut und Leben lassen mussten, bis man endlich Herzog Ludwig in Bayern als Schutzherr des ganzen Bistums und der Stadt Augsburg anerkannte.

Bereits 5 Jahre später fiel Albrecht von Österreich in Bayern und Schwaben ein und zerstörte abermals die angeschlagenen Verteidigungsanlagen von Schwabegg. Bei all diesen kriegerischen Auseinandersetzungen wird ebenfalls Ettringen unter den Kämpfen und Einquartierungen gelitten haben. Ebenso werden die verängstigten Einwohner junge Männer für den Kampf gestellt haben.

1315 rückte Friedrich der Schöne von Österreich mit einer Heermacht gegen Ludwig IV. in Bayern an. Der Eindringling stellte im August seine Streitmacht zwischen Türkheim und Buchloe zur Schlacht auf. Jedoch dazu kam es nicht. Heftige und ergiebige Gewitterregen ließen die friedlich dahin fließende Wertach plötzlich über die flachen Ufer treten. Das zwang Friedrich unter großen Verlusten von Pferden und Material zum Rückzug. Letztlich hatte ihn die Natur besiegt. Heute kann man sich kaum vorstellen, wie gefährlich in ihrem flachen Flussbett früher die Wertach gewesen sein muss, deren ungezügelte Wassermassen mehrarmig durch das Tal nach Norden sich ergossen.

Die Feste Schwabegg, sicherlich eine hölzerne Schanze, sah sich nochmals im Jahre 1371 / 72 einem neuen Ansturm ausgesetzt. Städtische Söldner unter dem Stadthauptmann Friedrich von Teck aus Augsburg berannten die Burg, die von »Kraft, dem Waaler«, einem gefürchteten Rauhbein, mit 26 Mann verteidigt wurde. Er unterlag schließlich der anstürmenden Übermacht und entkam allein mit heiler Haut. 21 seiner Mannen verbrannten jämmerlich in der Festung, die anderen wurden gefangen nach Augsburg gebracht. Damit verlor endgültig die Burg Schwabegg ihre herrschende Bedeutung, und Türkheim wie auch Ettringen wurden allmählich die Hauptorte der Herrschaft. Nachgetragen sei, dass der Streit zwischen den Augsburgern und den Schwabeggern durch zwei fingierte Briefe eines Conrad von Freyberg tückisch vom Zaune gebrochen worden war. Er wollte damit der Stadt Augsburg Schaden zufügen. Er war bekannt für seinen bösen und hinterhältigen Charakter. Auf den Tag genau zwei Jahre nach der Erstürmung der Schwabegger Burg starb der hinterhältige Hetzer. Die Chronik weiß weiter zu berichten, dass im nächsten Monat »sein Weib unsinnig geworden ist und man fünf Teufel von ihr beschworen hat, jedoch hatten die anderen Teufel, die bei ihr geblieben waren, ihr das Herz abgestoßen, als Zeichen ihrer Bosheit«. Oh, wie schrecklich!

1375 wurde dem zurückgekehrten »Kraft, dem Waaler« die Herrschaft von Schwabegg verpfändet mit dem Vogteirecht und am 25. November 1377 ebenfalls die beiden Dörfer Wiedergeltingen und Siebeneich (Siebnach) des Klosters Steingaden, die höhere Gerichtsbarkeit betreffend.

Von dieser Zeit an sollte Schwabegg noch öfters verpfändet werden. Wenn es anfänglich nur Dörfer oder Höfe waren, so war es später meist die ganze Herrschaft. Wie kam das? Die Herzöge und Edlen lebten oft genug über ihre Verhältnisse, zum anderen kamen sie durch Kriege und kleinere Auseinandersetzungen in gewaltige finanzielle Bedrängnis. Außerdem mussten sich die hohen Herren irgendwie erkenntlich zeigen für eventuell geleistete Kriegsdienste, oder es wurden treue Beamte und Verwalter für ihren Lebensabend statt mit klingender Münze mit einem Hof oder einer Grafschaft belehnt. Dabei ging wohl kein Quadratmeter Land verloren, aber eingebürgerte Rechte wurden geschmälert oder gingen ganz verlustig. Dies schuf eine unsichere Rechtslage, die gerade in unserem Gebiet im 15. und 16. Jahrhundert Anlass zu mancherlei Prozessen gab, welche z. B. zwischen dem Kloster Steingaden und den Vögten in Schwabegg oft über Jahre hinweg geführt wurden.

Die hohe Gerichtsbarkeit wurde vom Schwabeggschen Vogte wahrgenommen, er urteilte gebieterisch über Leib und Leben. Unter einer weit ausladenden Linde vor dem Pfarrhof in Hiltenfingen wurde Gericht gehalten. Hier konnte der Stab über einem Verurteilten gebrochen werden. Dem Richter halfen bei der Rechtsprechung zwölf Urteilspersonen. Das waren jeweils zwei Männer aus den umliegenden Ortschaften Hiltenfingen, Ettringen, Türkheim, Siebnach, Oberirsingen und Wiedergeltingen. Die Halsgerichtsstätte, d. h. der gespenstische Galgen, stand etwa eine Viertelstunde zu Fuß nordöstlich von Hiltenfingen, also etwa an der jetzigen Straße nach Schwabmünchen. Ab 1492 wurden hier Todesurteile vollstreckt. In die Zuständigkeit des Hochgerichts gehörten die vier hohen Wändel, diese betrafen den Mord, den Raub, die Brandstiftung und die Unzucht. Später wurde die Kompetenz des Gerichts auf schweren Diebstahl, Falschmünzerei, Sodomie, Ketzerei und Hexerei erweitert. 

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