Der Siebnacher Bahnbau

Obgleich es fast müßig ist, nach der Stilllegung der Eisenbahnstrecke Türkheim-Markt Wald-Gessertshausen hierüber noch große Worte zu verlieren, so sei doch mit diesem Kapitel einer gewissen Rehabilitation der Siebnacher in dieser Angelegenheit Genüge getan. Denn oft genug ist dieses Thema belächelnd zum Nachteile der Siebnacher abgehandelt worden.

1910 begann es, als die liebe Nachbargemeinde Ettringen einen Faschingszug nach Siebnach unter dem Motto »die Siebnacher Eisenbahn« veranstaltete. Zu diesem Zwecke hatte man Vermessungswagen organisiert, die Männer trugen Messlatten und Schaufeln. Natürlich hatten die Siebnacher von dem karnevalistischen Vorhaben Wind erhalten. Sie postierten sich folglich am südlichen Dorfeingang, um den sich heranwälzenden Ettringer Gaudiwurm gebührend mit Wasserspritzen zu empfangen. Jedoch der faschingsverkleidete Messtrupp schlich sich von der Wertach heimlich in das Unterdorf, und ehe die Gefoppten recht merkten, wo der Feind stand, begannen die Ettringer fleißig mit ihren Messlatten die zukünftige Eisenbahnlinie durch Siebnach

von links: Bgm. Pfänder, Bgm. Sirch, Pfarrer Britzlmayr, Lehrer Hamperl

von links: Bgm. Pfänder, Bgm. Sirch, Pfarrer Britzlmayr, Lehrer Hamperl

festzulegen.

Natürlich gab es nicht nur in Ettringen Faschingsnarren. Sondern auch in Siebnach feierte man in der Gastwirtschaft „Zum Mohren“ die närrischen Tage mit lustigen Tanzvergnügungen, wobei auch die hohe Geistlichkeit mit von der Partie war, stammte doch Pfarrer Britzelmayr selbst aus einer Wirtschaft in Wiedergeltingen.

Nun, die Wahrheit war folgendermaßen: 1867 wurde die Bahnlinie Augsburg-Buchloe gebaut. Ihre Trasse sollte von Schwabmünchen über Hiltenfingen, hier die Wertach querend weiter nach Höfen, Siebnach, Türkheim, Wörishofen, Schlingen und nach Kaufbeuren gelegt werden. Leider zerschlug sich der Plan, und man wählte Buchloe statt Türkheim als Verkehrsknotenpunkt. Schuld daran trugen die Türkheimer, die sich gegen eine Eisenbahn mit aller Gewalt wehrten. So ist es auch zu erklären, dass der Markt nicht direkt am Streckennetz angeschlossen ist und einen sog. »oberen Bahnhof« besitzt. Erst beim Bau der Staudenbahn wurden die neuheitsfeindlichen Türkheimer wach. Jetzt drangen sie mit aller Kraft auf einen Anschluss, obwohl die Bahn eigentlich in Mindelheim ihren Anfang nehmen und dann über Mattsies, Ettringen nach Schwabmünchen fahren sollte. Auch Siebnach wollte an diese geplante, eiserne Verkehrsader angeschlossen werden.

Am 14. November 1903 erklärte sich einstimmig der Gemeinderat Siebnach bereit, einen Zuschuss von 2000 Mark zu gewähren, wenn der Ort mit einem Bahnhof oder einer Haltestelle mit Güterverladung an die Bahnlinie angeschlossen würde, in einer Entfernung von höchstens einem Kilometer. Später erklärte man sich sogar bereit, einer Distanz von 2,5 km zuzustimmen. Auch wurde hierüber am 3. Februar 1904 im Rathaus Türkheim mit den beteiligten Gemeinden verhandelt. Eine persönliche Vorsprache des Bürgermeisters in München blieb ebenso erfolglos wie eine Eingabe des katholischen Pfarramtes von Siebnach.

Im Bescheid des Königlich-Bayer. Staatsministeriums für Verkehrsangelegenheiten vom 1. März 1909 hieß es dann: »Die Untersuchung dieser Bahnvariante mit Hilfe der topographischen Karte hat ergeben, dass die Berührung des Ortes Siebnach eine Verlängerung der Linie um etwa 3,8 km verursachen würde. Die hierdurch entstehenden Mehrkosten sind auf etwa 224.000,- Mark zu schätzen. Dazu käme, dass die Wasserscheide zwischen Neufnach und Wertach an einem um 15 m höheren Geländepunkt als bei der zunächst ins Auge gefassten Linie überschritten werden müsste, was wiederum die Anwendung ungünstiger Steigungsverhältnisse zur Folge hätte. Auch würde ein großer Teil des Lokalbahnwerkes durch den beträchtlichen Umweg (!) eine ständige nicht unerhebliche Belastung und Verteuerung erfahren. Andererseits ist die Führung der Lokalbahn über Siebnach deshalb kein bemerkenswertes Bedürfnis, weil dieser Ort vom Bahnhof Ettringen nur 3,5 km entfernt liegt und eine ebene Verbindungsstraße zur Verfügung steht.«

Unter dem 23. März 1909 richtete abermals das katholische Pfarramt (Pfr. Klein) an das »kgl. Oberbahnamt Augsburg« in dieser Angelegenheit nochmal ein Bittschreiben, welches ebenfalls ablehnend beantwortet wurde.

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