Die Alemanen dringen ein


Die Einwanderung eines ganzen Volkes mag durch die Verdrängung durch andere Stämme ihre Ursache gehabt haben, wie auch in erschöpften Weidegründen oder in einem eingeengten Siedlungsraum. Ebenso können Seuchen bei Mensch und Tier panikartige Ortswechsel veranlasst haben. Nicht zuletzt mag auf der anderen Seite der Reichtum der Römer, ihr Wohlstand und ihr Besitz die Völkerscharen der Alemannen magisch angelockt haben. Denn Raum für ihr Volk hätten sie genügend im Osten gefunden, aber die vollen lockenden Kornkammern des Südens, die fetten Herden und nicht zuletzt Sonne und Wärme werden schuld am unaufhaltsamen Drange zum Zuge nach Süden und schließlich über die Alpen gewesen sein.

233 n. Chr. überschritten die Alemannen das erste Mal den Limes, als die Römer ihre Rhein und Donautruppen zum Teil abgezogen hatten, um gegen die Parther zu kämpfen. Der Keil des Vorstoßes muss in unser Gebiet erfolgt sein, da, wie es heißt, Kempten stark zerstört wurde. Im Laufe des Jahres 242 soll bereits der nächste Einfall erfolgt sein. 18 Jahre später gelang es schließlich den Alemannen, über die Alpen bis nach Ravenna vorzudringen, jedoch der römische Feldherr Gallienus konnte sie vor Mailand besiegen.

Im Jahre 270 n. Chr. brachen die Alemannen mit den Markomanen vereint das zweite Mal verheerend in Italien ein. Sie versetzten das gesamte römische Mutterland in Angst und Schrecken. Doch nach harten Kämpfen wurden sie bis über die Alb und den Neckar zurückgeworfen. Bei diesen andauernden Gefechten wurde auf beiden Seiten erbittert gekämpft. Die Niederlage war schrecklich. Die Anführer der Germanen und auch andere Gefangene wurden ohne Gnade und Barmherzigkeit hingerichtet. Die Frauen trennte man von ihren weinenden Kindern und führte sie in lebenslängliche Sklaverei. Deshalb töteten manche Frauen sich und ihre Kinder, sobald ihre Männer im Kampfe unterlagen. Oft erfolgten auf widersinnige Art und Weise die hässlichen Hinrichtungen der Germanen durch die eigenen Stammesangehörigen, die im römischen Heer dienten.

So setzte sich auch damals der Weg der Menschheit mit Blut und Tränen fort. In den Jahren 259/260 versuchten die Alemannen wiederum einen neuen Angriff. Sie drangen bis in unsere Gegend vor, verwüsteten die römischen Ansiedlungen und Felder. Die forschen Angreifer mögen nicht minder unerbittlich mit ihren Feinden umgegangen sein und furchtbar unter der vindelizisch romanischen Bevölkerung gehaust haben, die an der festen Nahtstelle Römer Vindelicier ein friedliches Leben geführt hatten. Mittlerweile drang von der östlichen Elbe und der Ostsee der kriegerische Germanenstamm der Sueven nach Süden vor und setzte die in die Verteidigung gedrängten Römer ebenfalls unter Druck, die ihre großen Lager jetzt in starke Festungen verwandelt hatten, so auch ihre Garnison Augsburg. Fast 150 Jahre lang wurde nun unser Gebiet blutiger Austragungsort der Kämpfe zwischen Römern und andringenden Germanenstämmen.

In einer dem gallischen Redner Emmenius zugeschriebenen Lobrede auf Constantin den Großen (317 – 361 n. Chr.) wird ein Sieg »in Campis Vindonis«, d. h. auf den Feldern der Wertach, verherrlicht. Derselbe ortshinweisende Ausdruck erscheint noch ein zweites Mal später bei der Lobpreisung einer weiteren Schlacht. Natürlich kann heute niemand mehr genau sagen, wo die kriegerische Auseinandersetzung vor sich gegangen ist. Wir müssen annehmen, dass sie in der Nähe des römischen Augsburg, vielleicht bei Bobingen oder Straßberg, stattgefunden hat. Wer weiß es?

So kam der Heimatboden nicht zur Ruhe. Komfortable Gutshäuser wurden abgebrannt, ertragreiche Felder vernichtet, während um die einzelnen römischen befestigten Lager und Stationen erbittert gekämpft wurde. Den Römern mag es schwergefallen sein, als sie um 400 n. Chr. ihr Augusta Vindelicorum Augsburg aufgeben mussten. Zu dieser Zeit wird auch unsere Gegend von den alemannischen Scharen, die wertach- und lechaufwärts zogen, erobert worden sein. Jetzt waren sie die endgültigen Sieger, die sich hier zwischen den Übriggebliebenen niederließen.

Feste Hinweise auf die Anwesenheit der eingedrungenen Alemannen in unserem Bereiche sind die Ortsnamen, die mit der Silbe »ingen« enden.