Die Straßen


Die Straße, die durch unser heimisches Ettringen führte, war im Mittelalter mehr oder weniger ein besserer Feldweg, der von den Dörflern recht und schlecht in befahrbarem Zustand gehalten wurde. Viele Dörfer wünschten sich keine guten Straßen, da auf ihnen oft genug vagabundierendes Gesindel daherkam oder in Kriegszeiten die schwerfälligen Heereszüge sich entlang wälzten mit all dem Ungemach, das sie mitführten.

Alte Flurkarte von Ettringen um 1820

Durch Ettringen verlief in früherer Zeit die Straße von Augsburg nach Mindelheim bzw. nach Kaufbeuren. Sie kam von Schwabegg über Siebnach und teilte sich in einen westlichen Zweig, der am Tannenberg entlang in Richtung Angelberg führte und südlich des Tannenbergs einen Zweig am Felderhof vorbei nach Berg entsandte (siehe alte Flurkarte von Ettringen um 1820). Die andere Straße verlief in südlicher Richtung über Berg nach Türkheim. Auf diesen Straßen werden die Kuriere und die reitende Post öfters ihren Weg von Augsburg über Ettringen nach Mindelheim genommen haben. Hier werden auch 1518 Kaiser Maximilian I. nach Augsburg und 1632 der Schwedenkönig Gustav Adolph nach Mindelheim gezogen sein. Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhange, dass beim Bau des neuen Wohnhauses vom Felderhof eine Menge alter Hufeisen zutage gefördert wurden. Ebenso sei hier auf den Weg hingewiesen, der aus der Westsiedlung nach Süden führt und heute noch „Alter Postweg“ genannt wird.

Da die Straßen sich allmählich zu wichtigen Lebensadern der aufkeimenden Wirtschaft entwickelten und nicht nur die einzelnen Ortschaften räumlich verbanden, sondern halfen, die einzelnen Gegenden zugänglicher zu machen und zu erschließen, wurden sie in ihrem Unterbau wesentlich verbessert. Ettringen hatte das Glück, an einer solchen Verkehrsader zu liegen, die Handel und Wandel in das Dorf brachte.

Nur einmal noch nach dem 30jährigen Kriege wälzte sich Unglück auf diesem Wege in unser Dorf. 1796 kamen monarchistisch gesinnte Franzosen auf ihrer Flucht von einem Gefecht bei Oberkammlach mit republikanischen Truppen über diese Straße in unsere Ortschaft. Sie schlugen zwischen dem Dorfe und der Wertach ihr Lager auf. Als sie anfingen, Lebensmittel zu plündern und Schafe zu schlachten, flüchteten die Einwohner ängstlich in die nahen Wertachauen. Nach kurzem Aufenthalt marschierten die ungebetenen Gäste in Richtung Augsburg weiter, wurden dort abermals geschlagen, und so kamen sie noch einmal nachts auf der Flucht durch unser Dorf. Anscheinend waren sie in großer Furcht und Eile, da sie nur wenig aus den unbeleuchteten Häusern mitnahmen.

Ludwigstor in Türkheim

Man schrieb das Jahre 1799, als die Russen folgten. Zar Paul I. trat selbstbewusst als Bekämpfer „der lästerlichen Revolution“ gegen die Franzosen auf. Er schickte den in den Türkenkriegen erprobten alten Kämpen Suworow mit einer starken Heeresmacht gegen Frankreich. Sie zog im Spätherbst 1799 als befreundete Truppe durch unsere Gegend, um zu so später Jahreszeit den Sankt Gotthard noch zu überschreiten. Massena, der Sohn eines Winzers aus Nizza, schlug aber mit seinen französischen Truppen die Russen unter den beiden Generälen Suworow und Korsakow bei Zürich. Gedemütigt mussten sich die geschlagenen Reste des russischen Heeres nach Russland wieder zurückziehen. Dabei quartierte sich in Ettringen das russische Grenadierbataillon Sajenew ein.
Wie viel anders war es, als auf dieser Straße König Ludwig I. mit seiner Gemahlin Theresia bei einer Rundreise am 30. August 1829 Ettringen einen Besuch abstattete! Die Dörfler bezeugten ihre Ehrerbietung durch einen festlichen Triumphbogen, den sie am Ortseingang errichteten. Türkheim hatte in dieser Beziehung den Vogel abgeschossen. Die Einwohner bauten einen Torbogen im Süden der Ortschaft, den sie das „Ludwigstor“ nannten, und dem Gut auf der Anhöhe im Norden verliehen sie den Namen „Ludwigsberg“.

Bei der Fahrt des Königs von Augsburg nach Türkheim, wurde der illustre Zug angeführt von einer Eskadron aus 50 Reitern, welche sich aus den umliegenden Dörfern rekrutierten. Sie trugen lanzenartige Stangen mit weiß blauen Fahnen und trabten unter den Klängen der mitgeführten Musik dem feierlichen Zuge voran. Dem Herrscher zu Ehren dichtete ein unbekannter Mindelheimer zu dessen Ankunft folgendes Gedicht:

Er naht der Stadt, der vielgeliebte König,
des Bayern Volkes Stolz und Lust;
entgegen aus des Bürgers Brust,
wo Deinem Volk dein Vaterblick begegnet,
ist höchste Freude immer fern,
Dir jauchzt es zu: 0 komm uns hochgesegnet
Herein! Gesegneter des Herrn!
Dir setze Gott, dein reicher Lohn, zur Rechten
die Königin der deutschen Frau’n,
den Perlenkranz von Kindern Dir zu flechten,
auf den die Völker hoffend schau’n.
Dir leistet er im Erben Deiner Krone
für Deine Königssaat Gewähr,
erhält in ihm, dem edlen Königssohne
uns Bayern eine Felsburg mehr.
Wie Ludwig einst, der große Kaiserbayer,
der wie ein Herz, erhaben groß
so häufig sein belebend Wort zur Feier
des Dankes in Deutschlands Adern goß.
Wie er, indem er mit des Geistes Waffen
zuerst des Irrwahns Macht bestritt,
das Morgenroth der Zeit des Lichts geschaffen,
zu der, nach ihm Europa schritt,
das Faustrecht warf, den freyen Geist der Städte
und ihre Kunst, durch Rechte hob,
so schlingt des Lichts, der Freiheit, Strahlen Kette
sich krönend um Dein Herrscher Lob.
So steige denn, wie er zu jenen Sternen
Des ew’gen Tugendruhmes auf,
wirf Deinen Blick vom Saatfeld in die Fernen,
wohin Dein Volk durch Dich den Lauf vollenden wird,
und nehm am Erntesegen
den Dank, den Dir die Nachwelt weiht;
Heil Ludwig! Du wandelst auf den Wegen
Der Liebe zur Unsterblichkeit.

(nach Fritz Fahrenschon, Babenhausen und Mindelheimer Wochenblatt von 1829)

Leider musste der hochgelobte König wegen einer Liebesaffäre, besser gesagt wegen einer Liaison mit der Tänzerin Lola Montez 1848 der Unsterblichkeit durch Abdankung entsagen.

Die Straße von Hiltenfingen nach Ettringen Türkheim wurde erst im Ausgang des 18. Jahrhunderts gebaut. Allerdings wollte man die Trasse nicht über die Wertach führen, sondern östlich an der Ortschaft vorbei, also zwischen der Wertach und dem Gut Ostettringen. Hier sollte sie dem Ostufer des Flusses bis zur Brücke in Türkheim folgen. Der Gutsbesitzer und Gastwirt Gastel von der Taverne, der übrigens den Kleeanbau in Ettringen einführte, sah darin eine Benachteiligung des Ortes und vor allem wohl auch seiner Gastwirtschaft. Er wurde deshalb mehrmals bei der Bezirksregierung des Oberdonaukreises in Ulm vorstellig, zu dem seinerzeit Ettringen gehörte. Erbost wetterte Gastel in seiner Wirtschaft, so wird uns mitgeteilt: „Die Straße muss durchs Dorf gehen, und wenn es mich einen Metzen Kronentaler kostet!“ Also hätte er einen Halbliterkrug mit Talern gefüllt dafür gegeben. Nun, er brauchte seine kostbaren Taler nicht zu opfern, die Straße wurde durch Ettringen gebaut und somit an der Taverne vorbei.

Die alte Straßenführung ist heute noch ersichtlich an der Lindenallee vor dem Gut Ostettringen auf der Nord und Westseite. Im Ortszentrum wendete sich aber die Durchgangsstraße an der Kirche jetzt nach Süden zu, entlang dem Bächlein. Beiderseits pflanzte die Gemeinde Obstbäume, deren Ertrag alljährlich versteigert wurde. Von der erlösten Summe kaufte man Schulpreise, die nach der Prüfung feierlich verteilt wurden. Erst in den Jahren 1921/22 wurde die Straße durch einen festen Unterbau aus Bruchkalksteinen ausgebaut. Auf dieser Strecke unterhielt man schon länger einen regelmäßigen Postverkehr zwischen Schwabmünchen, Ettringen, Türkheim und Mindelheim. Man stellte ihn im Jahre 1846 ein, als die erste Eisenbahnstrecke in unserer näheren Umgebung Augsburg – Buchloe – Kaufbeuren eröffnet wurde, da man die Post jetzt von Buchloe weiter beförderte und nicht mehr von Schwabmünchen.

Bis 1897 marschierte ein Postbote von Türkheim nach Ettringen. Seine Runde ging weiter nach Siebnach, Schnerzhofen, Markt Wald und Tussenhausen. Er verteilte Briefe und Zeitungen bei den einzelnen Bürgermeistern, die die weitere Zustellung besorgten. Abgehende Post warf man einfach in einen Kasten am Mesnerhaus. Ganz allmählich nahm der allgemeine Briefverkehr jedoch so zu, dass eine tägliche Zustellung vom Briefträger Böck aus Türkheim für Ettringen und Siebnach erfolgte. Der Brief kostete zehn Pfennige Porto. Da der Ettringer Posthalter im Anwesen Hauptstraße 8 wohnte, richtete man hier das erste Ettringer Postamt ein. Der Eingang lag auf der Seite der Wettenstraße. Späterhin, nämlich von 1924 bis 1964 waren die Post und die handvermittelte Fernsprechverbindung in der Hahnenbichlstraße 6 untergebracht.

Am 6. Dezember 1964 wurde in der Hauptstraße 7 ein Postamt eröffnet und am 15. März 1977 in der Hochstraße eine vollautomatische Fernsprechzentrale. Darauf erfolgte daneben die Errichtung eines hohen Antennenmastes für das Kabelfernsehen. Im Oktober 1998 schloss die Post ihre Filiale in der Hauptstraße und richtete in dem Geschäft Riederer / Blum (Hauptstraße 21) eine Postagentur ein.

Wie war es denn im Mittelalter mit der Überbringung schriftlicher Nachrichten gewesen? Da hatte man nur berittene Boten, die für ihre begüterten Herren oft weite Strecken zurücklegten. Im Jahre 1517 hören wir von einem „Augsburger Boten“, der wöchentlich Nachrichten beförderte. Ferner wird uns mitgeteilt, dass Nachrichten und Sendungen reitenden Metzgern mitgegeben wurden, die ins „Gai“, über die Dörfer ritten und Tiere zum Schlachten oder auch zum Nutzen aufkauften.

Schließlich eröffnete Thurn und Taxis im Jahre 1730 eine berittene Postlinie, die dreimal wöchentlich von Schwabmünchen über Siebnach, Ettringen, Angelberg und Mattsies nach Mindelheim führte. Ab 1765 verkehrte wöchentlich sogar ein Postwagen, der in Ettringen vor dem Hause Hauptstraße 8, hielt, um eventuell Pferde zu wechseln oder zu füttern. Am 15. Juli 1837 holperte der erste postgelb angestrichene Eilwagen über die Straße, der jedoch viele Stunden brauchte wegen der miserablen Wegeverhältnisse, um von Augsburg nach Mindelheim zu kommen.

Erst 1860 wurde eine Straße nach Gennach gebaut. Sie wurde erforderlich als nächster Verbindungsweg zur neuerstandenen Eisenbahnlinie in Westerringen. Vor dieser Zeit führte nur ein schmaler Fußweg durch das Gennacher Moos, welches im Jahre 1770 unter den Dorfbewohnern aufgeteilt worden war. Der Gennacher Kirchturm war gleichzeitig Leuchtturm für den Fußgänger im trügerischen Moos, damit er sich nachts nicht verirrte.

Pfarrer Landthaler schreibt im Gennacher Kirchenbuch: „Im Jahre 1830 im Herbst ist die Brücke über die Gennach vom Wirtshaus erbaut worden. Früher bestand nie eine, und die itzt bestehende, so nothwendig und nützlich sie ist, ist mit tausend Flüchen belastet, und manchen ein Dorn im Auge. Zur nämlichen Zeit wurde dann auch das Vizinalsträßle von der Brücke an nach Ettringen angelegt. Nur die Ettringer haben ihren treffenden Theil noch nicht gemacht.“

Die Wegverbindung nach Lamerdingen soll älter sein. Wir wissen lediglich, dass der Baumeister Joseph Stiller beim Kirchturmbau der Lamerdinger Kirche durch Blitzschlag den Tod fand. Er wird mit seinen Arbeitern oft zwischen Ettringen und Lamerdingen hin und hermarschiert sein, wenn er nicht bei einem Bauern im Stadel übernachtete. Zur damaligen Zeit gingen die Maurer mit einer Schubkarre über Land, in der sie ihr gesamtes Handwerkszeug mitführten.

Im Zuge der allgemeinen Teerung der Ortsverbindungswege wurde im Jahre 1962 die Gennacher Straße anlässlich der dortigen Flurbereinigung befestigt. Da der Unterbau schlecht durchgeführt worden war, musste bereits 1977 die Straße auf Ettringer Flur neu gebaut werden. Eine ganz besonders gute Teerung von 35 cm Stärke erhielt die Lamerdinger Straße bis zum Sender im Jahre 1973. Zwei Jahre später wurde das Reststück nach Osten auch noch für den modernen Verkehr hergerichtet.

Die Straße nach Siebnach, die sich jahrelang in einem desolaten Zustand befand, wurde im Jahre 1961 begradigt, befestigt und geteert.

In den Jahren 1979/80 wurde diese Straße abermals begradigt und auf 6 Meter Breite ausgebaut. Die Baukosten betrugen 650.000 DM. 1989 wurde dann das innerörtliche Teilstück erneuert zu einem Preis von 970.000 DM, dabei erhielt die Ortsstraße einseitige Gehwege, individuell gestaltete Lampen, eine Kombination von Kopfsteinpflaster und Betonsteinen als Parkflächen und Gehwegsbelag, sowie eine großzügige Begrünung. Am Abend des 31.10.1989 konnten sich die Anwohner der Straße das erste Mal über die neue und sehr helle Beleuchtung freuen.

Im August 1981 wurde an einem herrlichen Sommertag ein Radfahrweg zwischen Siebnach und Ettringen mit einem kleinen Volksfest eingeweiht, war es doch der allererste Anfang eines gut ausgebauten Radwandernetzes, welches im Unterallgäu entstehen soll und gleichzeitig ein Teil des Radwanderwegnetzes „Rund um den Naturpark Augsburg westliche Wälder“ darstellt. Aus diesem bemerkenswerten Grunde fanden sich der Landrat und die Bürgermeister von Mindelheim, Bad Wörishofen, Markt Wald, Tussenhausen und natürlich Ettringen zu diesem überörtlichen Ereignis ein. Weiterhin wurden begrüßt Vertreter der Regierung von Schwaben, des Straßenbauamtes Neu Ulm und des Landkreises Landsberg, also alles was Rang und Namen hatte. Eigentlich hätte nur noch der König mit Fähnchen tragender Kavallerie, besser natürlich mit einer Radfahrschwadron gefehlt. Die Baulast für die gesamte Anlage betrug immerhin 270.000 DM.

Diesem eindrucksvollen Anfang folgte im September 1983 die Einweihung des drei Meter breiten Radwegs zwischen Ettringen und Türkheim, nachdem schon im Jahre 1975 ein Weitwanderweg von Augsburg nach Oberstdorf markiert worden war. (Schwäbisch-Allgäuer-Wanderweg Augsburg – Sonthofen, mit blauem Kreuz markiert). Er streift von Schwabegg kommend westlich den Weiler Aletshofen, passiert Forsthofen und Traunried, um dann westlich von Siebnach über den Schlegelsberg in einem herrlichen Hochwald Richtung Ettringen zu verlaufen. Hier unterquert er die brüchige Brücke der ehemalige Staudenbahn und geht anschließend weiter vorbei am Ziegelstadel durch das Kastenholz in Richtung Türkheim, Goldberg.
Knapp 30 Jahre später wurde der Staudenmeditationsweg eingeweiht, der in fünf Etappen von Fischach nach Kirchsiebnach sich erstreckt. Der letzte Abschnitt beginnt am Bahnhof in Markt Wald, berührt den herrlich gelegenen Schnerzhofer Weiher mit seiner Biberkolonie und verlässt nach links die stark befahrene Verkehrsstraße am Ortsende von Schnerzhofen. Weiter schlängelt er sich durch hellen Fichtenwald um schließlich bei der Kirche in Kirchsiebnach zu enden. Ein anderer Pfad, der nur eine kurze Wegstrecke des Jakobus – Pilgerweges nach Compostela einnimmt, nennt sich „Bayerisch-schwäbischer-Jakobuspilgerweg“. Seine Route verläuft wieder über Forsthofen, Traunried durch die weiten Wiesen zur Kirche nach Kirchsiebnach. Dort hat man inzwischen eine Infotafel zum Jakobsweg angebracht. Von hier geht es nun über den schon beschriebenen, geteerten Fahrradweg nach Ettringen und weiter Richtung Türkheim, Bad Wörishofen nach Bad Grönenbach, wo der Pilgerweg das Unterallgäu verlässt.

Ein besonderes Kapitel in Ettringen, was den Verkehr und die Straßen anbelangt, war für den Bürgermeister und Gemeinderat das viel diskutierte Problem: Umgehungsstraße.

Mappa Specialis von 1767

Mappa Specialis von 1767

Wir müssen weit zurückgehen, nämlich in das Jahre 1767 da schlug der Geometer Adrian Riedl schon eine Ostumgehungsstraße für Türkheim und Ettringen vor, was aus der „Mappa Specialis“ hervorgeht. Das Original des Planes liegt als Nr. 7696 in der Bayerischen Staatssammlung. Riedl entwarf damals folgende Streckenführung: „von Tyrckheim aus über den Wertach Flus, sodan über verschiedene wisgründ und Weidenschafften, bis dahin, wo solche widerum auf die Alte Landstraß eintrift und sodan nach Hyltefing weiters fortgehet.“ 

In den siebziger Jahren kam dann ein neuer, aktueller Vorschlag auf den Tisch. Jetzt ging die geplante Streckenführung im Westen am Ort in der Nähe des Felderhofes vorbei, die Tussenhauser Straße sollte die Umgehungsstraße kreuzen, um dann schräg bis zur Staatsstraße nach Hiltenfingen halbwegs zwischen Ettringen und Siebnach zu verlaufen. Bald wurde er wieder verworfen und nach kurzer Zeit einigte man sich auf die Osttangente, die südlich die verließ und dann östlich an der Ortschaft vorbeilief bis sie nördlich der Papierfabrik auf die Staatsstraße wieder traf. Die Angelegenheit war so weit gediehen, dass die Gemeinde die Straße ausmessen ließ und in den Flächennutzungsplan aufnahm.

Geplante Umgehungsstraße

So weit, so gut. Anfang des Jahres 1998 wurde das öfters aufgeschobene Problem schließlich akut, da der LKW Verkehr der Papierfabrik ein sehr beängstigendes Ausmaß annahm. Hatte man doch nur das Thema auf kleinem Feuer weiter gekocht, ohne dass sich jemand dabei die Finger verbrannte. Den Mund verbrannten sich dann doch etliche, als im Mai 2002 die brisante Angelegenheit ernstlich angepackt wurde. Da gab es einmal die Probleme mit dem zu beachtenden Wasserschutzgebiet und dem des Wiesenbrütergebietes, welches die Naturschutzbehörde mit Zähnen und Klauen verteidigte. Beide mussten unbedingt beachtet werden. Weiterhin mussten Gastwirtschaften, Bäcker und Metzger mit vielleicht beträchtlichen Mindereinnahmen rechnen (Hatten wir nicht schon einmal diese Diskussion vor 200 Jahren in gegensätzlicher Meinung gehabt?). Auf der anderen Seite sollten die Anlieger der Durchgangsstraße Lärm und Staub in ziemlich unerträglichem Maße dulden, ganz abgesehen von der Gefahr der Straßenüberquerung von Kindern, Alten und Behinderten? Als dann im August 2002 eine Bürgerversammlung die Planung offenlegte bildeten sich zwei Parteien, die sich heftig befehdeten. Die Einen wollten die Umgehung und die Anderen wollten zunächst keine, jedoch dann wiederum an einer anderen Stelle. Kurzum es kam zu einem klärenden Bürgerentscheid, bei dem die Einwohner mit 80% für die Umgehung im östlichen Bereich stimmten. 

Hier zeigte sich sehr eindrucksvoll der Unterschied zwischen dem Dorfbewohner und dem Städter. Was kümmert groß einen Einwohner einer Stadt, wie der Bürgermeister und der Stadtrat anstehende Verkehrsprobleme löst. Er schimpft wohl über den Stau oder die zu geringe Anzahl an Parkplätzen in der überfüllten Innenstadt, aber dafür wird er nicht aktiv eingreifen. Der aufgeklärte Dorfbewohner hingegen sieht in seinem kleinen umgrenzten Bereich, dem Dorfe, ein gewisses Eigentum, für das er mit verantwortlich ist, egal ob er von irgend einer lokalen Maßnahme betroffen ist oder nicht, hier ist seine Heimat in der er Kraft und Halt findet. Er kennt die Verantwortlichen persönlich und kann sie jederzeit zur Rede stellen. Die Gemeinsamkeit der Dorfbewohner mag manchmal zerrissen werden, letzten Endes aber findet sie sich immer wieder zusammen am Stammtisch, bei Beerdigungen, bei Hochzeiten, bei Straßenfesten oder bei Faschingsbällen und das ist das Schöne am Dorf.

Anfang Februar 2004 erfolgte endlich der heiß ersehnte erste Spatenstich für die Umgehungsstraße. Zunächst begann man mit der Errichtung der Wertachbrücke, nachdem schon seit Dezember 2003 die Zufahrt zu der umfangreichen Baustelle befestigt worden war. Gleichzeitig wurde im Oktober 2004 das alte Straßenstück zwischen der Türkheimer Umgehungsstraße und der Ettringer verbreitert, befestigt und neu geteert.

Nach reichlich anderthalb Jahren Bauzeit konnte dann am 16. September 2005 bei herrlichem Wetter das Straßenbauwerk offiziell mit viel Prominenz unter Mitwirkung der Ettringer und Siebnacher Blasmusik dem Verkehr übergeben werden.
Mit einer launigen Rede des Bürgermeisters Robert Sturm, der die Gemeinde als Mutter und den Staat als Vater bezeichnete, der endlich dem Drängen der Mutter auf Zuschuss leicht zähneknirschend nachgekommen wäre, antwortete der anwesende Staatssekretär Schmid ebenso humorvoll, wieviel Mütter zum Vater kämen und keine Ruhe gäben, immerhin hätte das Straßenbauprojekt 7,4 Millionen Euro gekostet, wovon die Gemeinde Ettringen nur 25% zu tragen gehabt hätte. Nach weiteren etlichen Reden und die Straße die Straßenbrücke ihren kirchlichen Segen erhalten hatte wurde ein weiß-blaues Band, welches quer über der Eisenbahnunterführung gespannt war, mit mehreren Scheren zerschnitten. Danach fuhr ein kleiner Corso von Oldtimern und schweren LKW’s den neuen Straßenabschnitt entlang zum Kellerberg, wo es einen Imbiss und Freibier gab. Da Freibier stets das beste Bier ist, kam die Ettringer Bevölkerung der Einladung gern und zahlreich nach. Am Abend feierte man nochmals in der „Kerlerkurve“ die nunmehr eingetretene Verkehrsberuhigung in der Hauptstraße.

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