Die Welfenzeit

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Man schrieb das Jahr 1056, das Todesjahr des römisch deutschen Kaisers Heinrich III. als unser Heimatdorf Ettringen das erste Mal urkundlich erwähnt wurde.

Wir finden diesen Hinweis im Güterverzeichnis des Domkapitels Augsburg, der hier im Original folgt.
Die letzten zwei Zeilen der Urkunde lauten, die unsere Ortschaft betreffen, wie folgt: „In Ötringa predium a duce Welf traditum.“ Die Übersetzung der gesamten Urkunde lautet: „Es sollen alle Christen, sowohl die Zukünftigen als auch die Gegenwärtigen, wissen, dass Bischof Heinrich II. von Augsburg ein gewisses Gut in Aislingen erworben und es durch die Hand des Edelfreien Sigepoto dem Altar der Hl. Maria (Dom zu Augsburg) übergeben hat, und zwar zur Nutzung für die Kanoniker unter Ausbedingung einer Pfründe und Gebetsverbrüderung. Darüber hinaus überlässt er am gleichen Tag alles, was während seiner Amtszeit unter der gleichen Bedingung für die Kirche erworben worden ist oder noch werden wird der Verfügungsgewalt und dem Nießbrauch der Kanoniker. Und damit diese Gnade des Bischofs beständig und unverändert bleibe, hat der Wohltäter festgesetzt, dass dieselbe Gnade mit dem Zeugnis einer Urkunde bekräftigt wird, und er hat erlaubt, dass die geschenkten Hufe mitaufgeführt werden.

 Ferner finden wir ebenfalls einen Nachweis über Ettringen in dem Jahrtagsbuch des Domkapitels Augsburg, hier allerdings mindestens ein Jahr früher als 1056.

Die letzte 6. und 7. Zeile lautet: „Welf dux obiit, qui dedit V hubas in Oetringen inde dantur viii solidos H. de Beringen.“ Die Übersetzung der Urkunde lautet: „Herzog Welf starb, der fünf Hufen in Ettringen schenkte. Daraus werden acht Schillinge H.(einrich) von Beringen gegeben.“

Bei dem genannten Herzog handelt es sich um den 1055 verstorbenen Welf III., der von 1047 -1055 Herzog von Kärnten war. (entnommen bei Robert Sturm in „Ettringen, Siebnach, Traunried, Die ersten schriftlichen Erwähnungen“)

 

 

 

 

 

 In diesem Jahre wurden drei Güter zu Oettringen den Kirchenvätern des Domkapitels von Augsburg zum Pfründegenuss angewiesen, welche Herzog Welf IV. als reumütige Sühne für seine vielen üblen Gräueltaten der Kirche von Augsburg übergeben hatte. Ettringen muss zu dieser Zeit größtenteils, wenn nicht ganz, welfischer Besitz gewesen sein.

Die Welfen besaßen viele Hausgüter in Süddeutschland und waren ein bekanntes Fürstengeschlecht, welches bis in früheste Zeit zurückreicht.

Bereits Welf II. besaß alles Land zwischen den Flüssen Iller, Lech und Inn. In unserem Gebiete erstreckte sich seine Herrschaft über das Lechfeld bis nach Schwabmünchen und Baisweil, einschließlich Ettringen. In diesem Bereich waren Schirmvögte eingesetzt. Sie stellten ein eigenes Heer im Kriege, übten das Recht der vogteilichen Gerichtsbarkeit aus und kassierten die Vogtsteuern, deren Lehen für längere und kostspielig geleistete Kriegsdienste erblich wurden. Eine solche Vogtei war Schwabegg.

Ein Nachkomme in der genannten Linie war Herzog Welf IV. aus der jüngeren Welfenlinie. Er war im Jahre 1070 vom jungen Kaiser Heinrich IV. mit dem Herzogtum Bayern belehnt worden.

Der Sohn Heinrichs III., Heinrich IV., hatte durch eine starke Machtkonzentration um Goslar und Harzburg sich mit den Sachsen unter Herzog Ordulf und dem Northeimer Otto von Bayern überworfen, dem er das Herzogtum Bayern abnahm und es dem Welfen übergab. Inzwischen hatte Papst Gregor VII. den Heiligen Stuhl bestiegen. Er verfocht ein totales, achtungsgebietendes Christentum, in dem möglichst nur Priester die Wahl eines Bischofs oder Abtes vornehmen sollten und nicht, wie bisher, die Könige. In dem »Dictatus papae« stellte er sogar die anmaßende Forderung auf, dass die römische Kirche Kaiser absetzen dürfe. Das konnte nicht gut gehen, denn der unkonventionelle Heinrich hielt sich nicht an diese päpstlichen plötzlich aus dem Nichts hervorgekramten Vorrechte. Er wurde deshalb aus der alleinseligmachenden Kirche ausgeschlossen und unter den furchtbaren Kirchenbann gestellt. Das war das Schlimmste, was einem Menschen zu jener Zeit passieren konnte. Heinrichs Thron wackelte. Jetzt schloss sich der raffinierte Welf IV. dem sächsischen Adel an und bezog damit Stellung gegen den Kaiser Heinrich IV. und damit für den Papst. Dieser rasche Parteienwechsel mag aus religiöser Überzeugung erfolgt sein, er kann aber auch dem überlegten Bedürfnis entsprungen sein, nicht auf dem falschen Pferde zu sitzen. Heinrich IV. trat seinen bekannten Gang nach Canossa an und erhielt die Absolution. Natürlich rächte sich sofort der Kaiser am abtrünnigen Welfen und setzte ihn im gleichen Jahre ab. Dieser drehte den Spieß wiederum um, nahm die Alpenpässe ein und verwehrte dadurch dem heimkehrenden Heinrich den Rückzug aus dem Süden nach Deutschland. Im Jahre 1096 schlossen beide endlich einen Vergleich. Welf IV. erhielt Bayern wieder, und Heinrich konnte nach Deutschland zurückkehren. Der Welf behielt bis zu seinem Tode, den er bei einem Kreuzzug auf Zypern im Jahre 1101 erlitt, Bayern.

Nun aber zurück aus der großen Geschichte zur Lokalgeschichte nach Ettringen. Das Dorf gehörte, wie schon erwähnt, zu jener Zeit mit dem Kirchensatz der Straßenvogtei zu Schwabegg. Männer und Frauen bebauten den oft kiesigen oder sumpfigen Boden und mussten sich vor den wilden Tieren schützen, die in den großen Wäldern ringsum lebten. Der dichte Wald wurde gerodet und allmählich zurückgedrängt. Generation um Generation arbeitete unverdrossen mit Haue und Pflug, sie vermehrten trotz aller Widerwärtigkeiten der Natur ihre Viehherden und fanden in der Liebe und im Gebete Trost in einer schweren Zeit voll bitterer Härte und drückender Entbehrungen. Ihre Ehen waren über viele Generationen hinweg bis ins hohe Mittelalter hinein praktische Verbindungen, die das Überleben erleichterten. So lebten sie in der verwandtschaftlichen Sippe, der gewachsenen Dorfgemeinschaft, der zumeist 50 bis zu 250 Menschen angehörten. Sie waren oft untereinander bös zerstritten. Auf der anderen Seite hielten sie zusammen, mussten zusammenhalten, trugen gemeinsam die alltäglichen Nöte, auch die Schulden, die oft genug drückend waren, und wehrten sich geschlossen gegen die feindliche Umwelt. Trotz Christianisierung herrschte oft noch die alte germanische Blutfehde, die manchmal über mehrere Generationen hinweg ging und gleichermaßen bei den Herren und beim Volke schrecklich ausgeübt wurde. Die Vögte führten das ihnen angetragene Richteramt mehr oder weniger gerecht aus. Für Diebstahl und Mord gab es als Strafe eine Verbannung, die lebenslänglich sein konnte; häufiger hingegen wurde geköpft oder gehängt, Mörderinnen begrub man lebendig. Kleinere Streitigkeiten wurden meist untereinander geschlichtet.

Nur selten gab es frohe Stunden bei Musik und Met, bei dem das Volk seine trostlose Situation vergaß. Der kleine unterdrückte Bauer wurde gern durch hohe Geldbußen gezwungen, Land an habsüchtige Adlige abzutreten, oder er und seine Familie wurden gar zu halbfreien Leibeigenen. Die Knaben mussten vom 12. Lebensjahre an fest mitarbeiten, die jungen Mädchen mussten im Hause mithelfen und sich um die große Schar ihrer Geschwister kümmern, die elend und hungrig, wohl in Dreck und Speck aufwuchsen. Wie viele verließen aus diesem Grunde ihre Heimat und irrten ausgestoßen umher oder schlossen sich einer der vielen Räuberbanden an, die gutsituierte Reisende überfielen. Nicht nur umherziehende Banditen machten die Straßen unsicher, auch flüchtige Söldner oder verarmte Ritter schreckten vor Überfällen auf Einöden und Passanten nicht zurück. Wurden die Übeltäter gefasst, so erwarteten sie allerdings drakonische Strafen. Die Geißel, der Scheiterhaufen, der Kessel mit siedendem Öl das Rad oder die Vierteilung sollten das räuberische Unwesen mit aller Härte unterbinden.

Natürlich war der mittelalterliche Mensch robust und nicht so feinfühlend wie wir heute. Er konnte Schmerzen, Hitze und Kälte besser ertragen, dafür feierte er aber auch ausgelassener. Sein Magen vertrug mehr Speise und Trank. Die Reden waren offener, derber, obszöner und oft mit Flüchen und Zoten gespickt. Einträchtig lebten, wie bei einem Kinde, ungezügelte Begierde neben der tiefsten Demut, gewalttätigste Grausamkeit neben der innigsten Zärtlichkeit, weltabgewandte Frömmigkeit und verschlagene Hinterlist in einer Brust. So stand im Mittelalter der Mensch zwischen einem barbarischen Erbgut und der ihm anerzogenen christlichen Ethik. Dazu trug noch eine feindliche Umwelt ihr übriges bei. Sie schuf ein hartes Wesen mit einem robusten Körper, denn nur ein solcher war lebensfähig, und einer unempfindlichen Seele.

Die harte Arbeit auf dem Lande brachte durch die Einführung der Dreifelderwirtschaft zwei Jahre Anbau, ein Jahr Brache die Rodung von größeren Waldflächen um das Siedlungsgebiet herum und die Anwendung des eisernen Pfluges einen höheren Nutzen. Die zu leistenden Aufgaben bestanden in dem Aufbringen des sog. »Zehent«.

Wie mag es nun in Ettringen vor knapp 1000 Jahren ausgesehen haben? Auf schlammigen und zerfahrenen Karrenwegen erreichte man das Dorf von Norden her oder von Westen, um die kleine Kirche geschart. Westlich des bescheidenen hölzernen Kirchleins lag der ansehnliche Maierhof (Tussenhauser Straße 2). Die weiteren Höfe und kleinen Sölden drängten sich dicht um das Gotteshaus im Bereiche der Türkheimer Straße 1 und Hauptstraße 2 bis 6 und der St.-Martin-Straße 1 und 2. Dieser Kreis von Gebäuden wird in jener Zeit aus etwa 10 Höfen und mehreren kleinen Sölden bestanden haben.

Die Häuser waren aus grobgehauenen Holzstämmen gefügt (als Typus muss der »Ständerbohlenbau« angenommen werden), meist mit Schindeln gedeckt, selten mit Stroh, Ried oder Gras, welches besonders nördlich von Ettringen in den Stauden verwendet wurde. In der Mitte des Dorfes befand sich der Dorfbrunnen, ein Zugbrunnen. Südwestlich der Kirche stand die Gastwirtschaft, die Taverne, die höchstwahrscheinlich zum gegenüberliegenden Maierhof gehörte (Gasthof Adler), an dem Reisende abstiegen oder auch Fuhrleute hielten. Die Häuser hatten statt Fenster viereckige Öffnungen, die nachts mit Läden oder Weidengeflecht geschlossen wurden. Tier und Mensch lebten in den Sölden gemeinsam in einem einzigen Raume. Das Feuer schürte man mitten im Hause auf einer Herdstelle, und der Rauch zog durch eine kleine Öffnung im Giebel ab. Dort oben hängte man das Fleisch der Tiere zum Räuchern und damit zur Konservierung auf, die man zum Winteranfang, wenn die Herden heimkamen, geschlachtet hatte. Der Boden war aus Lehm gestampft und mit Stroh oder Binsen bedeckt. Nicht alle Tiere konnte man den Winter über füttern, da die Vorratshaltung für Mensch und Vieh noch sehr mangelhaft war. Der Bauer und seine Familie schliefen auf Stroh nebeneinander (der Strohsack fand bis ins 20. Jahrhundert Verwendung). Dass unter diesen Wohnverhältnissen unsere Vorfahren rußig und schmutzig waren; lässt sich denken. Und wenn die Mär berichtet, dass der Satan die Leibeigenen wegen ihres Geruchs nicht in die Hölle einlassen wollte, so wird an dieser Geschichte sicherlich einiges wahr sein. Ganz abgesehen von der Plage durch Läuse und Flöhe, Mäuse und Ratten, die außer den herumziehenden Söldnern vorwiegend die Überträger von Krankheiten, besonders der Pest waren, die in periodischen Zeitabschnitten die Menschen als »Geißel Gottes« heimsuchte.

In den größeren Höfen waren Wohnhaus und Stallung getrennt. Pferde, Ochsen, Kühe, Schweine, Schafe und Geflügel wurden gehalten, auch wurde vielfach Imkerei betrieben, da der Zucker unbekannt war. Neben dem primitiven Stall lag der Mist, dessen trübe Jauche sich mit dem Schlamm und dem Kot der Straße ekelerregend vermengte. Das Dorf selbst hatte wenig Verbindung zur Außenwelt, es versorgte sich selbst. Da hämmerte der Dorfschmied, der die eisernen Gebrauchsgegenstände für die Bauern fertigte, der Schreiner schuf die rohbehauenen Bänke, Tische und Kästen, der Wagner baute die einfachen Karren; Sattler, Schuster und was es an Handwerkern gab, sie alle hatten einen wichtigen Platz in der dörflichen Gemeinschaft. Der Bauer bestellte sein Feld, auch hatte er das Recht Holz zu schlagen. Das Vieh trieb man gemeinsam in die Wertachauen, z. T. durch die Wertach auf die großen Weideflächen des ehemaligen Pisterhofes und der jetzigen Kurzwellensendestelle. Vorwiegend wurden Schafe gehalten, da der Boden nicht sehr fruchtbar war. Nicht umsonst führten die Ostheimer, ein angesehenes Geschlecht in Ettringen das Grabscheit des Schäfers in ihrem Wappen.

Am Ortsrand hatte jeder Bauer und Söldner seinen Kraut und Gewürzgarten (z.B. im Bereich der Watzmannstraße). Bis ins 11. Jahrhundert spannte der Landmann hauptsächlich Kühe und Ochsen ein, da sie Milch und Fleischnutzen brachten. Um das Jahr Tausend kam das Kummet auf, und damit wurde das Pferd allmählich auch Zugtier, zumal es im Acker schneller ging als ein widerspenstiger Ochse.

Die Bauern kleideten sich mit Hemden aus grobem Tuch oder Fell, darüber hatten sie lederne oder wollene Kittel gezogen. Das Tuch wurde aus gesponnenem Flachs gewebt. Im Sommer leuchteten allerorts die blaublühenden Flachsfelder in unserer Gegend. Überdies lieferte diese Feldfrucht noch das Leinöl, welches im Mittelalter in Ölmühlen gewonnen wurde. Der Dörfler trug im Gürtel ein Messer. Geldbeutel und Werkzeuge hingen ebenfalls am ledernen Leibriemen. Als Beinkleider trug er Hosen, die in hohen derben Stiefeln steckten.

Der lange Arbeitstag begann meist schon vor Sonnenaufgang und endete stupide und einförmig, der Jahreszeit entsprechend, mit Einbruch der Dämmerung. Die Frauen arbeiteten ebenso schwer wie ihre Männer. Sie waren zum Arbeiten und zum Gebären da. Sie hatten nicht dieselben Rechte wie die Männer, denn sie galten als ein notwendiges Übel; hatte doch Eva, eine Frau, die Menschen um das Paradies gebracht, und außerdem war die Frau das listigste Wesen, mit dem der bockfüßige Teufel am liebsten arbeitete. Dabei musste sie Brot und Kuchen backen, Fleisch räuchern und pökeln, Butter und Käse herstellen, Bier brauen, Kleider und Teppiche weben und oft genug unverdient harte Schläge und Prügel einstecken. In diesem Milieu schaffte die bäuerliche Familie fleißig, schuf ein hart errungenes Kulturland, von dem die hohen Herren, die groben Soldaten, die frommen Geistlichen und mehr oder minder gut die Könige lebten. War doch zu Beginn des Mittelalters Deutschland unbebautes Ödland gewesen mit riesigen, undurchdringlichen Urwäldern, ungezügelten Flüssen, trügerischen Sümpfen und mangelhaften Verbindungen zwischen den Siedlungen. So ging, wie überall, auch vor unserer Kultur der Pflug. Unsere Ahnen schufen mit Schweiß, Blut und Tränen die Basis, auf der sich unsere heutige stolze Zivilisation weiter entwickeln konnte.

Falls keine Unwetter oder Missernten Hunger verursachten, war die Ernährung der Siedler durch die eigenen Erzeugnisse sichergestellt. Vorwiegend aßen die Bauern Fisch, Eier, Fleisch hier besonders Schafs- und Schweinefleisch, Gemüse, Honig und ab und zu Milchprodukte. Die Kartoffel kannte man noch nicht, und das Brot war aus dunklem Schrot der Gerste, des Weizens oder des Roggens gebacken. Aus Äpfeln und Birnen wurde Most gekeltert. In den Klöstern fing man an Bier zu brauen. Erstaunt hören wir, dass z. B. pro Person und Tag dort vier Liter Bier ausgeschenkt wurden.

Lesen und schreiben konnten die damaligen Menschen auf dem Lande nicht. So vegetierten sie dumpf ihre oft knapp bemessenen Lebensjahre dahin, die hauptsächlich vom Wetter und von der Natur bestimmt wurden. Noch fehlten die ersten Anzeichen einer Bildung, einer höheren Einsicht, eines Überblicks. Der Gesichtskreis war beschränkt auf den ländlichen Arbeitsplatz in Feld oder Wald und auf das eigene Heim, eine Behausung, die praktisch nur vor den gröbsten Witterungseinflüssen schützte. Dafür herrschte der Selbsterhaltungstrieb mit all seinen tierischen Eigenschaften, wie der alleswollenden Habgier, dem nackten Geiz, dem oft grausamen Jähzorn, der wilden Rauheit, Gewalttätigkeit und Unmäßigkeit. Schwerfällig und wortarm sprachen die Landleute nur das Nötigste bei gemeinsamer Arbeit, beim Spiel oder um sich gegenseitig vor drohenden Gefahren zu warnen. Die überraschende oder schleichende Krankheit und der Tod waren für den damaligen Menschen etwas unabwendbar Alltägliches. Hungerkatastrophen zwangen die Bauern ihre wertvollen Zugtiere zu schlachten, sie verloren somit wichtige Hilfen beim Ackerbau. Das Hochwasser der ungezügelten Wertach mag manche Schafherde in den Wertachauen überrascht und mitgespült haben. In den unwegsamen Wäldern wurden Männer beim Holzroden erschlagen oder verletzt, hungrige Wölfe und Bären (Wolfsloh und Bärenmahd in Traunried) kamen in schneereichen Wintern in die Ansiedlungen und fielen, vom nagenden Hunger gepeinigt, die Bewohner an, die zu ihrem Schutz hohe Holzzäune um ihre Hütte errichtet hatten. Nicht zuletzt drangen verwüstend und brandschatzend fremde Heere ein, die von der Pest und der Ruhr wie von einem todbringenden Hauch begleitet wurden. Die Soldaten brachten den armen Einwohnern nicht nur erpresserisch den Verlust der letzten Habseligkeiten, sondern auch Krankheit, Siechtum und oft genug einen qualvollen Tod.

Das Christentum unter dem Volke war voll inbrünstigen Glaubens und einer ungemeinen Gottesfurcht. Der Mensch gab sich demütig in Gottes allwissende Hand, er suchte die befreiende Seligkeit und den alles sehenden und hörenden Gott. Bei der weitverbreiteten Gewalttätigkeit, Zügellosigkeit und niederen Gesinnung war doch immer noch der althergebrachte Aberglaube stärker als die Religion. So stand das Heidentum mit seinen handfesten Bräuchen dem damaligen, real denkenden Menschen näher als das Imaginäre der christlichen Religion. Nur die Städte und Klöster, wie z. B. Augsburg, erfuhren die sozialen ldeen und vor allem die hohen moralischen Werte des Christentums. Hier lernten die Menschen lesen. In den Klöstern betrieb man eine rentable Ackerbaukultur und eine gezielte Viehzucht. Von hier aus verbreitete sich im Laufe der Jahrhunderte der christliche Glaube mit all seinen kulturellen Fortschritten über das weite barbarische Land.

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