Religiöse Gebräuche

(In der Diözese Augsburg, Ldkap. Schwabmünchen, von Franz Hörmann, Pfarrer in Siebnach 1928 –1936, von mir teilweise ergänzt.)

Wenn wir den Bräuchen im Kapitel Schwabmünchen nachgehen, folgen wir zuerst dem Jahreslaufe.

Januar: Dreikönigstag: Der Weihrauch, den der Priester weiht, wird vom Vater, Mutter (oder Knecht) durch die Räume getragen, während die anderen die Allerheiligenlitanei beten. Man betet anderswo: Heilige Kaspar, Melchior, Balthasar, bittet für uns, dass wir würdig werden der Verheißungen Christi, und Vater unser. Geweihtes Salz und Johanniswein werden zu einem Salzstein vereint; davon wird von Mensch und Tier weggeschabt.

Februar: Mit Lichtmess am 2. Februar geht nach dem kirchlichen Kalender die Weihnachtszeit zu Ende. An diesem Tag werden nach alter Tradition in den Kirchen alle Kerzen, die übers Jahr in Kirche und Familie gebraucht werden, geweiht. Die Kerzen sollen vor Feuer und Blitzschlag schützen und dienen als Sterbekerzen. Früher gingen die Kinder mit der Prozession, die Buben durften Kerzlein und die Mädchen Wachsstöcklein brennen. Maria Lichtmess war bis in das Jahr 1912 in Bayern ein richtiger Feiertag; denn es ging an diesem Tage auch das bäuerliche Jahr zu Ende und die Dienstboten wechselten dabei den Arbeitsplatz. An größeren Orten wurden Dienstboten- (Knechte und Mägde) bzw. Schlenkelmärkte abgehalten. In diesen Tagen um Lichtmess können schon wieder viele Arbeiten bei Tageslicht ausgeführt werden. Bauernregeln sagen: „Wenns an Lichtmess stürmt und schneit, ist der Frühling nicht mehr weit,“ oder „Segnet man die Kerzen im Schnee, weiht man die Palmen im Klee.“
Einen Tag nach Lichtmess gibt es am 3. Februar den Blasiussegen gegen Halskrankheiten, auch soll das Salz und Wasser, was man an diesem Tag dem Vieh verabreicht, Heilkraft erlangen und das Vieh vor Krankheiten schützen.

April: Palmsonntag: Vom Palm werden in Stube und Stall Zweiglein getan. Karfreitag: Vor Sonnenaufgang wird von drei Äckern grüner Roggen geholt, soll die Pferde vor Halskrankheiten bewahren. Karsamstag: Der Feuerprügel wird in den Würzgarten getan oder sonstwo aufbewahrt; bei Gewittern kommt er ganz oder einige Stücklein in die Ofenglut. Unterm Glorialäuten rupfe Gras und füttere es den Kühen. Ostersonntag: Wir essen nüchtern den Osterkuchen, die Tiere erhalten geweihtes Brot.

Mai: Pfingsten: Der »Tauf« wird das ganze Jahr aufbewahrt.

Juni: Fronleichnam: Wird auf der Straße das gestreute Gras dürr, so gibt es einen guten Heuet. Gnadensonntag: Vom geweihten Salz wird dem Vieh gegeben; ebenso wenn ein Stück Vieh aus dem Stall oder in den Stall gehandelt wird oder wenn auswärts gefahren wird. Man gibt auch Weihwasser auf Brot.

Juli: Maria Heimsuchung: Wie Maria übers Gebirge geht, so geht sie heim. Regen an Heimsuchung, Regen bis Maria Himmelfahrt.

August: Frauentag: Der Kräuterbuschen wird gedörret und bleibt bis Maria Geburt am Fensterstock; dann wird er zerrieben und dem Vieh gegeben. Das Band, mit dem er gebunden war, wird aufbewahret und evtl. um die verstauchte Hand gebunden (Siebnach).
Die Kräuterweihe gehörte von alters her zum allgemeinen Brauchtum des Festes Maria Himmelfahrt, das am 15. August gefeiert wird. Als Kräuter und Blumen wurden zu einem Strauß gebunden: Schafgarbe, Odermenning, Kamille, Eberraute, Johanniskraut, Wermut, Beifuß, Golddistel, Hartheu, gemeines Leinkraut, Schwarzkümmel, gemeiner Dost, Jakobs-Greiskraut, Rainfarn, gemeiner Tymian, Hasenklee, echter Baldrian, Königskerze, Mariendistel, Weg-Rauke, Eisenkraut, Wiesen-Kümmel, Wegwarte, Ackerschachtelhalm, Spitzwegerich, Fingerhut, Salbei, Fenchel, Frauenmantel und Hirtentäscherl. Die Kräuter sollen an das unverlierbare und umfassende Heil, an die Schönheit und den Reichtum des göttlichen Lebens hinweisen. Der Segen über die Kräuter soll die Heilkraft der Natur verdeutlichen und das Vertrauen in die Macht des Gebetes stärken.

November: Allerheiligen: Seit dem 9. Jahrhundert gilt in der abendländischen Kirche der 1. November als Gedächtnistag für alle Heiligen. Bereits der Nachmittag von Allerheiligen gehört den Verstorbenen.
Allerseelen: Der Abt Odilo von Cluny (994-1048) bestimmte für seine Klöster am Tag nach Allerheiligen aller verstorbenen Gläubigen durch Messen, Psalmengesang und Almosengeben zu gedenken. Die Ehrung der Verstorbenen war ein Erfolg der Christianisierung. Als die Germanen noch Heiden waren, kannten sie eine gewisse Verbundenheit mit den Toten. Aus den damaligen Grabbeigaben weiß man, dass unsere Vorfahren sich um die körperliche Versorgung ihrer Verstorbenen kümmerten. Sie gaben neben der rein persönlichen Habe an Waffen und Schmuck auch Speisen in Behältern mit ins Grab. Durch die Kirche wuchsen Gedanke und Wille zu einer seelischen Versorgung. Schließlich ergaben letztwillige Verfügungen und später Testamente die Hilfe zur ewigen Rettung der Seele. So kam es zu einer Mitgabe um Ruhe und Frieden in einer anderen Welt zum damals bezeichneten Seelgerät. Es bestand in Fürsorge für Kranke und Arme, in der Ausstattung von Klöstern und sonstigen guten Werken und in den Messestiftungen für lange Zeit. Von der Liebe der Lebenden zu den Toten zeugen heute Grabpflege und reicher Blumenschmuck. Noch zu Anfang unseres Jahrhunderts gab es den Brauch, Totengebäck auf die Friedhofsmauern zu legen oder an die Grabkreuze zu hängen. Hier erkennen wir den alten Volksglauben, den Toten zu helfen, indem man ihnen Speisen opferte.
In Siebnach wurden ein Viertel nach Vier drei Rosenkränze gebetet, die Oktav hindurch täglich vor einer geweihten Kerze gehalten und dem Mesner das Seelenmahl gereicht, (im Kriege eingegangen). An Kathrein gibt es die Flegelhenke mit festlichem Mahl.

Dezember: Die Barbarazweige soll man beim Zwölfuhrläuten holen. Weihnachten: In der Heiligen Nacht stellt man Heukörbe in den Hof (unter die Traufe); das Heu wird morgens gefüttert, dass kein Vieh aufläuft. Man macht mit zwölf Zwiebelschalen die Wetterprobe.
So wie das Wetter in den »zwölf heiligen Nächten«, ist es in den zwölf Monaten des Jahres.

Haussegnungen: Neubauten, Häuser wie Scheunen, werden überall gesegnet. Vor dem Aufstellen des Dachstuhles ist noch die Aufrichtmesse (Siebnach). Die Segnung an Dreikönig halten die Leute selber, manchmal von Dreikönig bis Lichtmess, jeden Samstag (Siebnach). Entferntere Art: Stecke an die vier Hausecken Palmzweiglein; gibt Segen und der Fuchs holt keine Hennen.

Haus- und Viehpatrone: Die Häuser haben keine besonderen Patrone. Die allgemein üblichen werden durch Gebet, private oder öffentliche Gottesdienste verehrt: Sebastian, Leonhard, Ulrich, Wendelin, Martinus. Beim Hausgebet Vaterunser zu ihnen. Kommt ein Stück Vieh in den Stall, legt man Geld auf die Schwelle und schenkt es den Armen.

Religiöse Bilder und Tafeln: Der Herrgottswinkel wird in Ehren gehalten. Das Kreuz gehört zum Haus. Außen an den Häusern kann man sehen die Muttergottes von Altötting, Herrgottsruhe, den Heiland von der Wies, das Kreuz, St. Florian, seltener das Wunderbarliche Gut. Alte Bilder und Plastiken in den Häusern sind selten geworden, an neuen finden sich die üblichen Hausbilder. Verbreitung findet Bruder Konrad; die Krippe und der häusliche Maialtar nehmen neuen Aufschwung.

Räucherungen: Am Palmsonntag wurden mit den Palmzweigen des Vorjahres (Weichsang) auf Kohlenglut Haus und Stall beräuchert (Traunried). Aus allerlei wurde einst ein Pulver gestoßen (Hexenrauch), das im Stalle Verwendung fand. Diesen Rauch führen dieweilen noch terminierende Mönche mit sich.

Feldsegnungen: Sie werden bei den Flurumgängen mit dem Kreuzpartikel vorgenommen. Bei Gewittern betet man und zündet eine geweihte Kerze (aus Altötting, Andechs oder Einsiedeln) an. Palmzweige und Kohlen vom Karsamstag kommen in Garten und Feld. Die Schalen der geweihten Eier werden auf die Äcker geworfen (Traunried). Bis vor etwa 50 Jahren war das Wetterläuten üblich (nach Gailer von Kaisersberg unsere Wehr gegen die Unholden). Gegen Mäusefraß hilft St. Ulrich; an Ulrich heuen gibt ein Mäusejahr.

Flurprozessionen: Ehedem am Pfingstmontag und Christi Himmelfahrt.

Erntebräuche: Vor dem ersten Schneiden betete man ein Vaterunser (Traunried). Das Brot wird beim Anschneiden mit dem Kreuze bezeichnet. Man hat Brotstempel mit den Monogrammen Jesu und Mariens. Der erste Laib einer Backe erhält mit dem Finger einen Eindruck; er wird bei einer Feuersbrunst ins Feuer geworfen (Siebnach). Dem gleichen Zwecke dienen sonst »Agnus Dei«, die man in Altötting kauft.

Taufbräuche: Die Paten gehen schwarz. Die Vorsegnung muss der Vater im schwarzen Anzug beim Pfarrer ansagen (Kleinaitingen). Bei der Vorsegnung erhält der Mesner einen Laib Brot. Die Kinder erhalten vom Taufpaten (immer) und vom Firmpaten (bis zum 18. Jahre) Ostereier, Seelenwecken, ’s Klopfet.

Hochzeitsbräuche: Brautleute gehören beim Gebetläuten heim. Die Braut trage keinen Schmuck, gehe täglich in die Messe, nehme nirgends was an. Den Brautwagen nie am Freitag führen, die Betten muss der Bräutigam selber ins Haus tragen. Der Brautwagen fährt beim Verlassen des Elternhauses über einen Weihwasserkessel, der zerbrechen soll (Siebnach). Der Brautwagen wird aufgehalten und muss sich loskaufen. Lachende Braut, weinendes Weib. Vor dem Kirchenzug wird im Hochzeitshause für die Verstorbenen gebetet; die Braut wird von den Eltern mit Kreuzzeichen und Weihwasser gesegnet. Hochzeitsbett, Kleider, Wohnung, Stall segnet der Priester, wobei die Näherin Weihwasser und Licht trägt. Hochzeitslader nimmer üblich. Beim Zug tragen der Pfarrer und der Bräutigam die Zitrone und den Rosmarin (ein uralter Brauch, der neues Leben aus der Zeugung versinnbildet). Unter dem Amt brennt der Wachsstock. Die Brautleute trinken stellenweise noch dreimal Wein und machen drei Kniebeugungen. Die Messdiener fordern vom Hochzeitsvolk ein Opfer.

Sterbebräuche: Wenn ein Mensch am Sterben war, wurde das Zügenglöcklein geläutet. Bei der Leiche beten die Totenfrau oder die Angehörigen alle Stunden den Ablass. Statt der Nachtwachen betet man jetzt in der Kirche einen Rosenkranz. Nach der Beerdigung war (und ist) vier Wochen lang ein Rosenkranz, den die Angehörigen und Verwandten besuchen; am Schluss ist noch mal ein Mahl. Die Nachbarn halten das Tragen der Leiche und das »Einscherren« für ein Ehrenamt. Zu Ende des Leichenschmauses wird vor einem Kreuz und zwei Kerzen der Ablass gebetet. Stehende Beileidsformel in Siebnach: »Gott tröste dich in deinem Leid!« Arme erhalten Kleider des Toten, die Leichenfrau das Leintuch, der Totengräber ein Hemd. Bei erwachsenen Leichen gingen früher die Angehörigen und Verwandten vier Sonntage zum Opfer; bei einem Kinde nur der Vater und der Pate.

Wallfahrten: Lechfeld: Traunried geht ex voto wegen einer Viehseuche an einem Freitag um Jakobi dort hin (Kühfreitag). Zur Zeit der Prämonstratenser war eine Wallfahrt Siebnach mit dem Gnadenbild der Skapuliermuttergottes.
Man findet des öfteren geschriebene Gebetbücher, eines in Siebnach (1766) hat den Vorspruch:

Diene Gott zu jeder Frist!
Kirchengehen säumet nicht.
Gott gedient in jeder Zeit
hat noch keinen je gereut.

Fromme Sprüche finden sich an Häusern, so in Traunried:

Genieße, was dir Gott beschieden,
entbehre gern, was du nicht hast,
ein jeder Stand hat seinen Frieden,
ein jeder Stand hat seine Last.

Durch Murren wächst nur unser Leiden,
fürwahr, es lindert keine Not.
Sei froh und dank für Freud‘ und Leiden,
sowie für Wasser, Salz und Brot.

Krankheiten: Um von »Scherzen« (aufgesprungener Haut) frei zu bleiben, sollen sich die Kinder beim Karsamstag-Glorialäuten am Dorfbach oder am laufenden Wasser waschen (Langerringen). Eine Flasche Wein am Karfreitag im Ameisenhaufen vergraben und übers Jahr wiedergeholt, ist ein Heiltrank. Gegen Seitenstechen heben die Leute einen Stein auf, spucken dreimal in die Grube, machen ein Kreuz auf den Stein und legen ihn wieder an seinen Platz. Wer ein Furunkel los sein will, muss vor Sonnenaufgang unbeachtet einen neuen Reisigbesen in eine Kapelle tragen. Ein Überbein gibt man dem Mond und betet dabei drei Vaterunser. Um eine verstauchte Hand winde das Band vom Würzbuschen (Siebnach). Gegen Hexen holt man den Hexenbanner; früher ein berühmter in einem Dorf bei Schwabmünchen, jetzt ein großer in einer Donaustadt.

Volksbräuche: Sinn und Inhalt des Funkenfeuers sind verschwunden; der Klopferstag ist seit dem Krieg überall zu Ende; Martinsnacht wird zum Teil noch gefeiert. Bauernfeiertage: Lichtmess, Blasius, Martini, Nikolaus, Andreas, Thomas. (Auszug)

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