Schlussbetrachtung

Hier endet der lange Gang durch die Jahrhunderte, fast durch zwei Jahrtausende. Die schwäbischen Dörfer Ettringen, Siebnach und Traunried und ihre Bewohner haben sich gewandelt. Jetzt beherrscht der moderne Mensch die Szene. Er hat sich über viele Generationen hinweg bis zum heutigen Tage sein Milieu geschaffen, und dieses wiederum formte ihn, wie eben Schöpfer und Geschaffenes sich in einem ständigen Wechselspiel gegenseitig befruchten. Das ist ein ewiges Naturgesetz. Und da Geschichte Leben, hautnahes Leben bedeutet, unterliegt sie diesem.

Wie sieht nun der moderne Mensch aus, der hervorgegangen ist aus einer bunten Mischung von unterschiedlichsten Erbanlagen seiner Ahnen und einer sich ständig wechselnden Umwelt? Er ist sesshaft geworden, jedoch das alte Nomadenblut wallt weiter in seinen Adern. Er hat durch die Verkehrsmittel die Möglichkeit, dem lockenden Rufe der Ferne zu folgen, gebändigt allerdings von der täglichen Verpflichtung in Familie und Beruf. Der moderne Mensch verliert in seinen vollklimatisierten Häusern und seinen Städten, die die Nacht zum Tage machen und den Winter zum Sommer, die Verbindung zur natürlichen Periodizität der Jahreszeiten und damit zur Natur, der er entstammt. Er sucht Schutz in der Gemeinschaft, im Staate, der für ihn im Krankheitsfalle und im Alter sorgt. Damit wird der heutige Mensch aus der aktiven Rolle in eine passive gedrängt. Das Individuum Mensch braucht die Nähe des anderen, wie seit Urzeiten, wünscht sich Schutz und fühlt sich erst in der Mehrheit geborgen und stark. So entsteht eine Gesellschaft, die mit ihren ordnenden Gesetzen das Individuum letztlich ganz allmählich entmündigt. Aus der Persönlichkeit wird ein Mitglied einer Organisation oder Gesellschaft, in denen es sich wiederum individuell zu behaupten sucht und durch die es sich bemerkbar macht. So wandert der moderne Mensch, wohl selbstbewusst, jedoch mit dem stillen Komplexe seiner Nichtigkeit in einem einförmigen Heerzug Gleichgemachter. Der wachsende Wohlstand lässt ihn seelische Not und Knechtung vergessen. Wie oft setzt er den Profit vor das Glück. Das Glück aber hat heute viele Namen: Prestige, Anerkennung, Selbstbestätigung, vielleicht auch Erwecken von Neid.

Mitten im trügerischen Meere degradierter Werte erscheint es, als ob die Jugend des sorgfältig geplanten und kalten Perfektionismus überdrüssig geworden wäre und bewusst den nackten materiellen Goldboden verlassen möchte, um zu einem einfachen Leben voll menschlicher Wärme zurückzufinden.

Dabei besinnen sich viele einer Tradition, fragen nach ihren Vorfahren und schwärmen wehmutsvoll von der sogenannten »Goldenen Vergangenheit«. Diese schwärmerischen Reminiszenzen nennen sie schlicht Nostalgie. Dass die Vergangenheit nicht so rosig und goldig war, wie sie heute einige in einer Art von Weltflucht hinstellen oder wie andere sie als verführerischen Hintergrund einer lukrativen Modewelle zeichnen, geht auch aus der vorliegenden Arbeit hervor. Denn hier in unseren Dörfern haben, wie wohl überall, viele Generationen Freud und Leid erlebt. Könnten die Steine sprechen, so würden sie hauptsächlich von Blut und Tränen erzählen. Hier haben die Menschen im Kampfe mit der Natur oder in der Auseinandersetzung mit dem Charakter anderer Zeitgenossen oder mit den Problemen, die der Alltag oft überraschend brachte, ohne viel Aufhebens gelebt. Alle sind sie ihrer täglichen Arbeit nachgegangen, alle haben sie still ihre Pflicht erfüllt, die der Augenblick von ihnen verlangte: die Römer, der Sippenälteste Authari, der raue Ostheimer, der alte Greis mit seinen anvertrauten Kindern, der Stuckateur Stiller oder der Unternehmer Michael Lang. Sie haben alle, die einen vielleicht widerwillig, die anderen freudig, ihr Schicksal in Gottes Hand gelegt. Tun wir es auch in der Hoffnung, dass unsere neue Gemeinde Ettringen mit ihren Ortsteilen Siebnach und Traunried in Frieden leben und sich weiter glücklich entfalten möge.