Siebnach im 19. Jahrhundert

Ortsansicht 1830

Ortsansicht 1830

 Im Jahre 1818 zählte Siebnach 66 Anwesen mit 67 Häusern und 372 Einwohnern. 40 Jahre später, 1858, lebten in der Gemeinde bereits 672 Bürger, die in 118 Häusern wohnten, also fast eine Verdoppelung. In der Gemeinde gab es 69 Hausnummern, den Ziegelstadel mit einer Familie, das Dornet (aus dem Worte Dornen abgeleitet wie in Ettringen das Dornghau) an der Wertach mit zwei Familien und fünf Familien bei der Pfarrkirche in Kirchsiebnach.

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Südansicht 1977

Südansicht 1977

 

 

 

 

 

 

Der Ziegelstadel wurde um das Jahr 1875 abgebrochen. 1937 baute Studienrat Fritz Müller, ein Sohn des ehemaligen Müllers Joachim Müller, ein kleines Einfamilienhaus an dieser Stelle.

Mühle 1930

Mühle 1930

Die alte Mühle (Mühlenstraße 1) in Siebnach ist zunächst eine Mahlmühle gewesen. Erst 1858 beabsichtigte Franz Vogt, gegenüber seiner Mahlmühle eine Sägemühle zu errichten. Im Jahre 1863 begann er dann mit dem Sägen von Baumstämmen. 1920 brannte die Mühle ab und das Sägewerk musste neu gebaut werden. Im Jahre 1958 wurde schließlich die Mahlmühle stillgelegt und das Haus 1960 abgebrochen. 1855 erfogte eine Beschwerde von seiten der Höfner, dass der Mühlbach kaum gereinigt werde und deshalb der Kirchweg nach Kirchsiebnach bei schlechtem Wetter öfters unter Wasser stehe.

Erst im Jahr 1928 wurde der Mühlkanal erweitert, tiefer gelegt und eingewandet, da er bei Hochwasser stets Teile des Oberdorfes überschwemmte. Gleichzeitig wurde an der Mühle die alte Holzbrücke abgerissen und durch eine Eisenbetonbrücke ersetzt. Im Zuge der Ortskanalisierung legte man in den Jahren 1966 bis 1969 den Mühlbach nochmals tiefer und betonierte das Bett, damit verschwand auch der letzte Tümpel auf der Wegegabelung oberhalb des Kindergartens (Mühlenstraße 8).

Mühle mit Mühlbach um 1900

Mühle mit Mühlbach um 1900

Zu den Ortstraßen sei noch folgendes nachzutragen. Im Jahre 1860 führte die Straße nach Ettringen links an der Mühle vorbei bis zur Kapelle, wo links die Schnerzhofer Straße abbiegt. Diese war lediglich ein schmaler Fuhrweg, der in den 30er Jahren befestigt und breit ausgebaut wurde, wobei man sogar oben am Hüleberg sprengen musste. Zur gleichen Zeit wurde auch die Ortsverbindungsstraße nach Ettringen verbreitert und befestigt. 

Ein anderer Zweig bog von der Ettringer Straße oberhalb des Hofes (Am Bach 1) östlich ab bis zum Transformator, wendete sich hier nach Westen am Hof Kreuzstraße 1 vorbei zur Schmiede (Markt-Walder-Straße 2) und traf da auf die Schnerzhofer Straße. Nach Norden verlief der Weg am Mohrenwirt, (St-Georg-Straße 9), vorbei wie heute. Hier ging der Abzweig zur Wertach in östlicher Richtung ab, wobei die Ortschaft hinter dem Anwesen (Hiltenfinger Straße 9) endete. Stets musste der sich schräg durch den Ort windende Mühlbach überbrückt werden. 1926 entstand die eiserne Brücke über den Mühlbach auf dem Wege zur GoldenenWeide, 1929 folgte die Betonbrücke beim Hof (Hiltenfinger Straße 2) und im Jahr 1933 bei der Schmiede (Markt- Walder- Straße 2).

Bau der Straße nach Schnerzhofen

Bau der Straße nach Schnerzhofen

  

 

Spatenstich zum Bau der Straße nach Ettringen

Spatenstich zum Bau der Straße nach Ettringen

 

 

 

 

 

 

 

Wenn man von der Vergangenheit Siebnachs erzählt, muss man unbedingt auch vom 11. Mai 1875 sprechen. An diesem Tage brach mittags im Anwesen Mühlenstraße 5 ein Feuer aus. Da das Haus mit Stroh gedeckt war, stand das Gebäude innerhalb von Minuten in hellen Flammen. Zu allem Unglück schürte ein kräftiger Westwind das sich ausbreitende Feuer. Durch starken Funkenflug gingen die Höfe in der Maiergasse und östlich davon schnell in Flammen auf.  

Hochwasser

Hochwasser

 

Auch der Maierbauerhof, (Mühlenstraße 15) den damals ein gewisser Aigster inne hatte brannte lichterloh. Den Wiederaufbau verkraftete er nicht mehr und so musste er das große Anwesen an den Juden verkaufen. Von ihm kaufte schließlich dann ein Miller aus Gennach den Hof. 

Hochwasser

Hochwasser

 

 

 

 

 

 

 

Die gewaltige Feuersbrunst vom Jahre 1885 überstand der Hof Mühlenstraße21 unbeschadet, wie auch der Pfarrhof, Markt-Walder-Straße 7 und das Anwesen Markt-Walder-Straße 5. Ebenso konnte das Gebäude Steingadener Straße 1 vor den um sich greifenden Flammen gerettet werden. Bäume und Zäune brannten in einer feurigen Glut, sodass das gesamte Oberdorf mit 17 Anwesen eingeäschert wurde. Als der Stadel in der Sankt-Georg-Straße 1 bereits durch Funkenflug Feuer fing, drehte plötzlich der Wind und das gefräßige Flammenmeer erhielt keine weitere Nahrung mehr. 

Erste Luftaufnahme von 1922

Erste Luftaufnahme von 1922

Neubaugebiet 1977

Neubaugebiet 1977

 Glücklicherweise konnte man das Vieh aus den Ställen retten, indem man es rasch auf den Anger trieb, der nördlich des Dorfes liegt. Es handelt sich dabei um das Gebiet zwischen Buchenberg und der Straße nach Höfen, also dem heutigen Neubaugebiet. 

Der Hausrat der Brandgeschädigten war allerdings restlos verbrannt, ja selbst die Siebnacher Feuerspritze wäre fast in Flammen aufgegangen, wenn beherzte Feuerwehrmänner sie nicht noch schnell in den Mühlbach geworfen hätten. Die Mühle, das Haus Nummer 7 und originellerweise das Spritzenhaus blieben als einzige im Oberdorf unbeschadet erhalten.

Gemeinsam gingen die Einwohner nach der verheerenden Feuersbrunst an den Aufbau des Dorfes, wobei sich auch viele Ettringer und Traunrieder beteiligten. Ehe der Winter kam, hatten Mensch und Vieh Gott sei Dank wieder ein schützendes Dach über dem Kopfe.

Wie überall auf den Dörfern, so gründete man auch in Siebnach 1875 eine Freiwillige Feuerwehr. Sehr wahrscheinlich bestand schon Jahre vorher eine Pflichtfeuerwehr, da ja bei dem Großbrand bereits eine Spritze eingesetzt wurde, die ihr Wasser dem Mühlbach entnehmen konnte.

Mühlbach

Mühlbach

 Die Gemeinde erwarb deshalb für die Unterbringung der notwendigen Gerätschaften ein altes Bauernhaus, welches zu einem Armenhaus auf der südlichen und einem Feuerspritzhaus auf der nördlichen Seite umgebaut wurde. Das Haus steht heute nicht mehr, es grenzte oberhalb an den Holzplatz der Säge. Im Jahre 1926 bauten die Siebnacher um den Betrag von 4000 Mark ein neues Spritzenhaus, in dem im ersten Stock die Gemeindeverwaltung mit ihrem Sitzungsraum untergebracht war (Mühlenstraße 30). Gleichzeitig diente es in wenigen Fällen als Leichenhaus. Meist wurden die Toten im Wohnzimmer ihres Hauses bis zur Beerdigung aufgebahrt. Dort erfolgte auch die Aussegnung. Der Transport vom Haus zum Friedhof erfolgte mit der Totenkutsche. Unter einem hölzernen Baldachin, der auf vier gedrechselten Säulchen ruhte stand der Sarg. Der Pfarrer mit seinen Ministranten und die Trauergemeinde folgten dem Gefährt bei Beerdigungen zu Fuß durch das Dorf auf den Todesacker. Ebenso holte man mit der Kutsche Dorfbewohner, die außerorts, z.B. im Mindelheimer Krankenhaus verstorben waren.

 Die Siebnacher Feuerwehr war aber nicht nur als Brandbekämpfer im Einsatz, sie musste oftmals bei einem Hochwasser der Wertach ausrücken, welches die Brücke gefährdete. Eine weitere leicht belustigende Aufgabe in der Gründerzeit bestand darin, mit der Spritze auszurücken, wenn fahrendes Volk in der Nähe des Dorfes gesichtet wurde, „um Gefahren abzuwenden“, wie es damals im Volksmund hieß.

1937 schaffte man eine Motorspritze an und im Jahr 1985 erhielten die fleißigen Aktiven ein neues Feuerwehrauto für 80.000 DM, dem eine neue TS 8/8 im Jahre 2004 folgte. Nur das Spritzenhaus machte ihnen allmählich Sorgen.

Neues Feuerwehrgerätehaus

Neues Feuerwehrgerätehaus

Der bauliche Zustand rechtfertigte nach Expertenmeinung nicht den beträchtlichen finanziellen Aufwand für eine Renovierung. Zwangsläufig erhob sich nun die Frage, wo ein neues Gebäude errichtet werden solle. Gemeinde und Feuerwehr einigten sich schließlich auf den alten Standort, wo 1993 das Haus dann abgebrochen wurde und man ein neues Gerätehaus im Mai 1994 der örtlichen Feuerwehr übergeben konnte. Dazu waren viele freiwillige Arbeitsstunden von den 55 aktiven Männern geleistet worden. Trotzdem hatte der Neubau rund 450.000 DM gekostet. 

2002 wurde die Mannschaft ganz besonders durch das reißende Hochwasser der hochgehenden Wertach gefordert, besonders ging es dabei um den Schutz einer stark gefährdeten Baustelle am Wehr, wie bereits im Kapitel “Wertach” im Ettringer Teil behandelt.

Östlich des Feuerwehrhauses steht der Hof des „Holzwartes“ (Mühlenstraße21). Zu diesem Anwesen gehörte früher das südlich davon gelegene Haus, wie auch das ihm gegenüber liegende. 60 Tagwerk Grund gehörten zu diesem Hof. Wahrscheinlich wurde er im Mittelalter vom Maierhof abgetrennt, da er direkt oberhalb Angrenzer ist. Hier schält sich eindeutig der alte Ortskern, sicherlich auch der seinerzeitige Siedlungsursprung von Siebnach heraus mit der Kapelle, dem Pfarrhof und dem Maierhof.
Erwähnenswert ist im Zusammenhang mit der Mühlenstraße, dass einige Tage der bekannte augsburger Schriftsteller Bert Brecht sich als Parteifreund beim Besitzer des Anwesens in der Mühlenstraße 6 aufgehalten hat, da der damalige Besitzer der Kommunistischen Partei, wie er, angehörte.

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