Das finstere Mittelalter (Gernhöfe, Landquathof, Welser, Schertlin)


Seit dem Jahre 1504 befand sich Schwabegg mit dem Dorfe Ettringen im Besitze der damals in der Blütezeit stehenden Stadt Augsburg (Türkheim war seit 1504 an die Augsburger Gebrüder Franz und Hans Baumgarten verpachtet). 1529, also fünf Jahre nach dem wütenden Bauernaufstand, verpfändeten die Herzöge Wilhelm und Ludwig in Bayern die gesamte Herrschaft Schwabegg mit Türkheim, aber ohne den Weiler Berg, an Wolf Dietrich von Knöringen, Ritter und Pfleger von Friedberg (sicherlich handelt es sich hier um den Sohn des Christoph von Knöringen, des obersten Schulmeisters des Stifts zu Augsburg und damit des Neffen des Narziß Ostheimer). Er hatte am 23. April 1532 den Grundstein für das große Schloss in Türkheim gelegt. An ihn verkauften ein Jahr vorher die Gebrüder Christoph und Thomas Ostheimer (seine Vettern), jetzt als Bürger von Augsburg, den ererbten Maierhof zu Ettringen (sie könnten die Söhne des Thomas Ostheimer gewesen sein), samt den zwei dazugehörigen Sölden und Schmiedstatt mit allem Nutzgenuss.

Zehn Jahre nach der Grundsteinlegung in Türkheim verstarb von Knöringen. Zäh kämpfte seine Witwe bei Herzog Wilhelm in Bayern um die Grafschaft Schwabegg. Jedoch vergebens, die Herrschaft wechselte über auf Hans von Rechberg zu Hohenrechberg und Osterberg. Er war ein Nachkomme der Rechberg, die bereits 1208 durch den augsburgischen Bischof Siegfried III. Schwabegg mit allen Zubehörden gekauft hatten.

Ganz einig waren sich die hohen Herrschaften allerdings zur damaligen Zeit auch nicht. Einer wollte den anderen übervorteilen, jeder lebte auf großem Fuße, ohne manchmal die nötigen monetären Rücklagen zu haben. Deshalb wundert es einen nicht, wenn man von einer eingesetzten lnspektionskommission erfährt, die wegen mancher Jagdirrungen und damit verbundener Frevel zusammentrat. Einer ihrer Teilnehmer war der Rentmeister Jörg Labermaier zu Ettringen. Worum ging es dabei? Es ging um den Grenzverlauf des Jagdreviers und Holzschlags zwischen Hans von Rechberg und Hans von Riethaim zu Angelberg. Die Grenze verlief folgendermaßen: »Ab dem Heckel oder Gernhof nach der Schlau oder Wiesmäder, zwischen dem Bergerholz und dem Postbückl, bis auf das Haus (wahrscheinlich das Rote Haus) und von da hinab bis auf die Straß so von Angelberg gen Landeckwaid nach Ettringen und Sibnaich geht und von dort bis auf die Schelmensteig und gen Schnerzhofen«. Dies also war eine von Süden nach Norden verlaufende Grenze, wobei der Angelberger praktisch das ganze Holz Richtung Tussenhausen besaß.

Im Verlauf der fixierten Grenze werden zwei alte Ettringer Höfe genannt, die Gernhöfe und der Landquathof , die heute nicht mehr bestehen. Westlich des Weilers Berg, der damals zu Ettringen gehörte und in dem seit dem 13. Jahrhundert ein Geschlecht des niederen Adels saß, nämlich Berchtold und Kunrad de Berge, standen zwei Höfe an der Straße von Berg nach Rammingen und Mindelheim. Sie werden in anderen Jagdverträgen von 1544 und 1562 auch als Heckel oder Gernhof erwähnt. Beide wurden im Jahre 1567 durch Hans von Rechberg zur Herrschaft Schwabegg angekauft (das Wort »Gern« soll heißen: eine schräg ansteigende, spitz auslaufende Berghöhe).

Man nimmt an, dass schon vor Jahrhunderten an dieser Stelle eine Siedlung vorhanden gewesen ist; der Inhalt zweier gefundener Hügelgräber in der unmittelbaren Nähe deuten auf die Bronzezeit hin. (Hans Ruf, „Türkheimer Heimatblätter“). Vom Jahre 1660 an gab es einen Oberen und einen Unteren Gernbauer, obwohl beide Höfe nur wenige Meter von einander getrennt lagen. Jeder hatte einen eigenen Zufahrtsweg. 1901 kaufte der Bayerische Staat einen der Höfe, brach ihn ab und forstete das Grundstück auf. Fünf Jahre danach erwarb der Türkheimer Bürgermeister Wiedemann den anderen Hof und überschrieb ihn der Gemeinde, die ihn ebenfalls abriss und das Gelände aufforstete. Zur Erinnerung an die beiden im Wald gelegenen uralten Hofstätten errichtete im Jahre 1997 an dieser Stelle der Steinmetz Gerhard Schröder ein steinernes Mahnmal.

Ein anderer Hof ist wahrscheinlich ebenso alt. Er muss ein altes, prächtiges Welfengut gewesen sein Landquat oder Lancwate genannt. Dieses Gut schenkte Becilin von Kirchdorf mit Zustimmung seines Herrn, des Herzogs Welf VI., um die Mitte des 12. Jahrhunderts dem Kloster Polling. In den Jahren zwischen 1182 und 1190 wird ein Heinrich de Langwat genannt, der Güter zu Schlingen an das Kloster Ursin verschenkte. 1284 bezeugte ein Rudolf de Lanquart mit den Maiern von Wiedergeltingen und Siebeneichen u. a. den Verkauf eines Gutes zu Beckstetten an das Kloster Steingaden. Auch wird die Hube oder der Weiler Langwat wiederum in den Jagdverträgen von 1544/ 1562 erwähnt mit dem Satz von einer „landstraß so von Angelberg gen Langwaid geht“. In den Ettringer Kirchenbüchern ab 1622 findet man allerdings keinen Hinweis auf diesen mehrfach genannten Hof. Wir müssen ihn als Wüstung bezeichnen.

Wo mag dieses Gut gestanden haben? Nun, wir finden z. B. eine Beschreibung aus dem Jahre 1431, die da lautet: »Puchl mit Holz, genannt Lantquadberg (Tannenberg), stosset hereinwerz gen dem Dorf an Clausen Oschaymers (Ostheimers) wisen und außerhalb gen Lanntquat zu der hueb«. Ebenfalls wird der Hof erwähnt bei dem Grenzverlauf im Zusammenhang mit der Gerichtsbarkeit des Fleckens Türkheim. Hier heißt es unter anderem: »Von da an die Sattellachen, dann nach dem Westermoos bis zum Angelberger Weiher, von dort beim Jägerhaus vorüber, läuft der Gränzpunkt östlich zum Königsbühel und stosset an das Landquat, von da läuft die Gränze nach der Potnau (wahrscheinlich Bernau), dann bis zu den Gernhöfen, von hier zum Berghof und Bergerwinkel« usw.

Das Gelände, welches im Süden und Norden begrenzt wird einmal von der Tussenhauser Straße und zum anderen von dem Weg zum Kastenholz und nach Osten vom Tannenbergholz und im Westen vom Kirchenholz, hieß vordere bzw. hintere Langweid. Diese Geländeformation deckt sich genau mit der alten Beschreibung »Puchl (Hügel) mit Holz (Tannenbergholz), genannt Lantquadberg, usw. « Den Hof selbst müssen wir nördlich oder südlich der Langweid suchen. Dabei ist zu bedenken, dass einmal im Gebiet des Ziegelstadels im Laufe der Jahrhunderte viel Lehm abgetragen worden ist zur Ziegelherstellung, zum anderen der irritierende Geländeeinschnitt durch die Tussenhauser Straße zur damaligen Zeit nicht bestand. Obendrein finden wir hier noch die Bezeichnung »beim Sträßle«. Dies ist ein deutlicher Hinweis auf eine Straße, die in diesem Bereiche ihren Verlauf genommen haben muss. Der Ziegelstadel muss damals auch schon bestanden haben, denn er wird bei dem Verlauf der Forstgrenzen des Pergerholzes erwähnt. Man darf annehmen, dass in diesem beschriebenen Bereich ein römisches Landhaus gestanden hat, dessen Reste vermutlich durch den Lehmabbau zerstört worden sind, spricht doch der Fund der Estrichplatten sehr dafür.

Am alten Winterweg findet sich heute noch ein etwa 55 cm hoher und 23 cm im Quadrat messender, stark verwitterter, bemooster Stein, dessen Herkunft unbekannt ist. Es handelt sich um einen Tuffstein. Wie er an diese Stelle gekommen ist, ist nicht mehr zu klären. Seine Herkunft weist ebenfalls auf die Römer hin. Der alte Winterweg verläuft Richtung Felderhof, biegt aber vorher hinter der Mariengrotte rechts ab. Der Stein befindet sich dann etwa 200 Meter auf der rechten Seite des Weges. Man hat auf ihn im Jahr 1931 ein gut sichtbares, jedoch inzwischen sehr verwittertes Flurkreuz gesetzt. Die Lage des Landquathofes ist also nicht mehr zu fixieren, solange keine konkreten Beweise und vor allem Funde in diesem Gebiete gemacht werden. Äcker würden uns an dieser Stelle vielleicht mehr preisgeben als die schweigenden grünen Flächen der Wiesen. So müssen wir trotz aller Recherchen resignierend bekennen, dass die Lage dieses sicherlich stattlichen Welfengutes, welches vor 400 Jahren schon verfallen sein wird, nur spekulativ einzukreisen ist. Die oft beredte Vergangenheit schweigt leider in manchen Fällen und behält interessante Dinge und Ereignisse still für sich unter dem dunklen Mantel des natürlichen Zerfalls und der unaufhaltsamen Verwitterung. 

Südlich dieses angesprochenen Bereichs liegt das Kastenholz. Es unterstand vor der Gründung der Forstämter dem kurfürstlichen Kastenamte. Daher leitet sich der Name. Fälschlicherweise wurde seit über 100 Jahren der Ausdruck »Kastenholz« aus dem lateinischen Worte »Castrum« hergeleitet und die dort befindliche Anlage als ehemaliger römischer Wachtturm angesehen. Hier handelt es sich eindeutig um einen sehr gut erhaltenen frühmittelalterlichen Turmhügel. Gleiche Anlagen standen in Wiedergeltingen (an der Stelle des neuen Schulhauses), in den Wiesen östlich des Ortes Westernach. Sie wurde im vorigen Jahrhundert abgetragen und eingeebnet. Eine ausgezeichnet gut erhaltene Turmhügelanlage steht in Dietmannsried bei Kempten.

Wie finden wir nun den Turmhügel, der im Volksmund das »Rote Haus« genannt wird (dieser Ausdruck ist nicht zu deuten) ? Wir laufen die Tussenhauser Straße hinaus und biegen links in den Weg zum Tannenberg am Feldkreuz hinter der Brücke ein, verfolgen den Pfad weiter unter uralten Eichen Richtung Osten.

Dabei können wir kurze Rast vor der im Hang eingelassenen, zur Andacht einladenden Mariengrotte am bewaldeten Tannenberg halten. Sie hat der Veteranen- und Soldatenverein hier im Herbst 1978 errichtet. Als im Jahre 1871 Ettringer Soldaten aus dem siegreichen deutsch französischen Krieg heimkehrten unternahm einer von ihnen, Kaspar Riederer aus dem Hofe Ostheimerstraße 1, aus Dank für die gesunde Rückkehr eine Wallfahrt nach Lourdes. Seine Kameraden beauftragten ihn, eine Nachbildung der Lourdes Muttergottes mit nach Hause zu bringen. Diese Statue wurde in der heimischen Pfarrkirche St. Martin aufgestellt, jedoch im Jahre 1939 anlässlich einer Renovierung entfernt. Man bewahrte sie dann 39 Jahre auf einem Dachboden auf, um ihr jetzt einen würdigen Standplatz wieder zu geben. Am 20. Mai 1979 wurde die Mariengrotte mit einem Feldgottesdienst feierlich eingeweiht und gesegnet.

Ein anderes Kreuz, welches an den Zweiten Weltkrieg erinnert steht am Waldrand zwischen Anhofen und Steinekirch neben einer alten Mariengrotte. Es wurde aus Dankbarkeit für die gesunde Heimkehr dreier Söhnen der Familie Kuhn aus Ettringen aus dem letzten Krieg 1946 errichtet. Da es inzwischen stark verwitterte wurde am 17.7.2005 ein neues Kreuz aufgestellt und festlich geweiht.

Doch nun zurück zum Wege zum „Roten Haus“. Von der Grotte gehen wir südlich weiter, biegen an der Weggabelung rechts ab Richtung Westen, den Felderhof links liegenlassend, an dem voher genannten abgewitterten Flurkreuz vorbei. Nach der letzten Eiche, die rechts des Weges in der Wiese steht, gehen wir noch etwa 200 Schritte, dann biegt der Weg an einer Gabelung links im Walde ab. Dieser schmale Kiesweg führt uns weiter in südlicher Richtung, auf der dann nach etwa 500 Metern gleich linker Hand der baumbewachsene Hügel mitten im Walde liegt.

Und was finden wir im Kastenholz? Wir entdecken eine abgerundete Anlage mit einer ungefähren Seitenlänge von etwa 35 m, in deren Zentrum sich ein Hügel von etwa 6 m Höhe befindet, dessen Fuß eine ungefähre Seitenlänge von 20 m hat und dessen Krone eine Seitenlänge von ca. 7 m misst. Zwischen dem Außenwall und dem zentralen Hügel erstreckt sich ein Graben mit einer durchschnittlichen Tiefe von 150 cm und einer Breite von etwa 5 m. Auf der Westseite liegen zwei Gruben, die südliche etwa 5 m vom Wall entfernt, die nördliche nur 2 m. Diese Gruben haben einen Durchmesser von etwa 4 m und eine Tiefe von 2m. Zwischen ihnen liegt eine ungefähre Entfernung von 10 m. Soweit die Beschreibung des sogenannten „Roten Hauses“.

Wir befinden uns im 16. Jahrhundert. Noch gelten auf dem flachen Lande die erheblichen Standesunterschiede zwischen dem mächtigen Herrn und dem sogenannten kleinen Mann. Dass die Schicht der Tagelöhner und Minderbemittelten in unserem Dorfe zusammenhielt gegenüber dem Wohlhabenden und Privilegierten, dokumentiert sich im Jahre 1547. Da wurden die Ettringer Dörfler mit einer Bitte bei Herzog Wilhelm in Bayern vorstellig. Die ganze Dorfgemeinde ersuchte nämlich »für den armen Mann aus ihrer Mitte, Hans Seyler, genannt Keppler, ihn mit seinem Weibe und seinen Kindern aus dem Lande ziehen zu lassen. Seine beiden Brüder Stöffel und Mathäus wollten für ihn Geld hinterlegen«. Keppler hatte erbost in der Wirtschaft aufrührerische Reden gegen Hans von Rechberg gehalten, nachdem dieser ihm Zoll abgenommen hatte. Dieser Injurienprozess dehnte sich über mehrere Jahre hin, mit dem Ergebnis, dass der angeklagte Keppler eine Urfehde abschwören musste, d. h. er musste versichern, dass er sich für die ihm zugemessene Strafe niemals rächen würde.

In dieser Zeit tauchte ein neuer und bekannter Mann in unserem Orte auf, es war der Welser. Am 2. Mai 1553 erlaubte Kaiser Karl V. dem Bartholomäus Welser aus der berühmten Patrizierfamilie in Augsburg aus besonderer Gnade, auf seiner Einöde zu Ostettringen eine Mühle auf seinem Grund und Boden nebst einer Schneidmühle zu bauen. Dieses fürstliche Entgegenkommen war eigentlich selbstverständlich, da der Welser einmal Geheimrat des Kaisers war und zum anderen mit dem anderen Handelsherrn in Augsburg, dem Fugger, Kaiser Karl 240 Zentner Gold hatte vorschießen können. Ostettringen mag nur den dürftigen Wert eines Trinkgeldes besessen haben, hatte doch der Welser Venezuela zur Kolonisation erhalten. Der Kaiser war im Grunde genommen ein armer Mann, seine Stärke fußte auf dem schwachen Fundament der Treue seiner oft hinterlistigen Vasallen, die mehr an sich dachten als an ein einiges Reich und sein Wohlergehen.

Der Welser hatte in seinem neuen Besitz, Ostettringen, sofort die drohende Gefahr der Wertach erkannt und deshalb Wehre, Kanäle und Gebäude auf dem Ostufer errichtet. Wir wissen es, da im Jahr 1570 die Gemeinde Ettringen sich bei Herzog Albrecht in Bayern beschwerte, dass ihr Eigentum täglich geschmälert würde, da die Wertach Grund und Boden mitreiße, »infolge der Errichtung dieser Wasserbauten«. Selbstverständlich musste es nach der Befestigung des Ostufers der Wertach bei starkem Hochwasser zu einer Überschwemmung auf dem gegenüberliegenden Westufer, d. h. auf der Dorfseite, kommen. Beim Ausbaggern des Stöckleweihers im Jahre 1976 fanden sich dann auch unter einer etwa 2 m hohen Kiesschicht zwei Reihen Pfähle, die tief in den Boden getrieben waren. Sie standen in einem Abstand von etwa 3 m parallel in Nord Süd Richtung. Der Abstand der Hölzer in den beiden Reihen betrug etwa einen halben Meter. Die Pfähle selbst hatten einen ungefähren Durchmesser von 25 cm. Sie sind wahrscheinlich die Überreste der erwähnten Uferbefestigung der Welser von vor 400 Jahren. Da gerade an dieser Stelle die Wertach in einem Bogen von der östlichen in eine westliche Richtung fließt, ergeben sich zwei Alternativen. Entweder wurde hier ein Schutzdamm errichtet, der das Hochwasser aufhalten sollte, welches in direktem Wege zum Gut sich ergießen konnte, oder man hatte an dieser Stelle den alten Mühlbach aus der Wertach abgeleitet, wofür der Abstand der Pfähle von 3 m spricht.

1573 führte der Ettringer Pfarrer Virgilius Hitzelberger Klage, dass der Welser, hier muss es sich um den Bruder Franz des Bartholomäus gehandelt haben, Neubrüche angelegt habe, von denen er den kleinen Zehent verweigere. Diese Anschuldigung war jedoch wider besseres Wissen geschehen, da der vorhergehende Pfarrer Mathäus Richter im Jahre 1549 hierüber bereits eine Einigung erzielt hatte, die sogar vom Apostolischen Nuntius und vom Bischof und Kardinal Otto von Augsburg bewilligt worden war.

Bartholomäus Welser verbrachte in der Nähe von Ostettringen auf seinem kleinen Schlösschen im benachbarten Amberg seinen Lebensabend. 1561 verstarb er dort und wurde in der Gruft der Amberger Pfarrkirche beigesetzt.

Die Welser und Fugger in Augsburg setzten den Grundstein für die merkantile und beginnende kapitalistische Ära in Deutschland. Johannes Fugger, ein armer Weber, war 1368 aus Graben bei Schwabmünchen nach Augsburg ausgewandert und hatte dort selbstgefertigten Barchent verkauft und sich dabei ein beträchtliches Vermögen erworben. Die Familie spekulierte günstig weiter und stieg auf zu einem der bedeutendsten und vermögendsten Handelshäuser der damaligen Welt. Die aufstrebende Tuchindustrie wurde, wie auch der immer mehr genutzte Bergbau, kapitalistisches Monopol. Jahrhunderte später trieb die Industrialisierung Tausende von Menschen in eine nicht selbst verschuldete Armut. Das traf besonders den großen Bereich der Tuchindustrie. Gerade von seiten der Weber begann deshalb nun der jahrzehntelange Kampf der Arbeiter gegen den ausbeutenden Kapitalismus, der jetzt offen zutage trat. Damit wurde die Ära des nivellierenden Sozialismus ins Leben gerufen. Das bunte Tuch, der modische Stoff, mit dem sich der Mensch schmückt, wurde auslösendes Moment für eine neue Zeitepoche. Das traf auch viele Familien in Ettringen, wie wir noch später hören werden.

Noch befinden wir uns aber im 16. Jahrhundert mit seinen aufreibenden Macht- und seinen fanatischen Religionskämpfen, die gerade Deutschland schwer erschütterten. Wenn die Großen und Mächtigen dieser Welt ihre reißende Gicht oder ihre schwelenden Geschlechtskrankheiten auszukurieren versuchten, so war für den einfachen Menschen der unerbittliche Kampf ums tägliche Brot, um sein ärmliches und kärgliches Dasein immer noch wie eh und je erforderlich. Man konnte annehmen, dass von fünf Lebendgeborenen zwei als Säuglinge starben, einer vielleicht im jugendlichen Alter, und von den übrigen, soweit es Söhne waren, mussten viele zum harten Kriegsdienst, von dem sie entweder überhaupt nicht oder als hilflose Krüppel heimkehrten. Von der mühsam eingebrachten Ernte mussten die hart arbeitenden Bauern ein Zehent der Herrschaft und ein Zehent der Kirche abliefern.

Wenn wir uns in diese Zeit zurückversetzen, so finden wir viele Dinge, die uns heute kaum erwähnenswert oder unverständlich erscheinen, die jedoch damals fremd, neu oder zumindest nicht alltäglich waren. Von Asien und Amerika kamen die ersten Kartoffeln nach Europa. 1558 erreichte die erste Tabakpflanze von Mexiko aus Spanien, um sich bald von hier aus über den ganzen Kontinent zu verbreiten.

Die Trunksucht entwickelte sich in jener Epoche zu einem deutschen Nationallaster. Die Speisen wurden scharf gewürzt. Die indischen Gewürze hatten durch die Seefahrt auch Deutschland erreicht , und man aß immer noch mit den Fingern, obwohl die Gabel als Essbesteck bereits bekannt war.

Die Reisegeschwindigkeit der damaligen Zeit mit Kutschen, die sechs und mehrspännig fahren mussten auf den schlecht unterbauten und deshalb ausgefahrenen Straßen, betrug am Tage höchstens 30 km. Die Depeschenträger und Kuriere zu Pferde mochten bei gutem Pferdewechsel 140 km zurücklegen. Und wenn wir aus der sogenannten guten alten Zeit erfahren, dass die Wirte zumeist grob, träge und schmutzig waren, dass viele Herbergen oft nur aus einem Raum bestanden, in dem die verstaubten Reisenden buchstäblich mit Speck und Dreck saßen, sich wuschen und kämmten, aßen und rülpsten, dann können wir das heute nicht nachempfinden und uns glücklich schätzen, dass uns so etwas nicht mehr passiert. So gut war also die berühmte »gute alte Zeit« überhaupt nicht, ganz zu schweigen vom Ungeziefer, wie Wanzen, Flöhen und Läusen, übertragbaren Krankheiten, wie Cholera, Typhus und Diphtherie.

Ein Knecht verdiente damals im Jahr bei freier Station etwa 400 – 500 Mark, d. h. er musste 10 – 12 Stunden am Tag für etwa 2 Mark oder weniger hart arbeiten. Kinderarbeit wurde profitgierig stillschweigend gestattet. Der einzige Lichtblick waren die vielen Feiertage in katholischen Ländern. Im Jahr 1550 zählte man allein immerhin bis zu 115 Feiertage im Jahr.

In diesem eintönigen Milieu – bittere Armut im Diesseits, gnadenlose Verdammnis im Jenseits – fand das zügellose Unrecht seinen besten Nährboden. Grenzen wurden immer wieder bei der Jagd, beim Holzschlag oder beim Weiden des Viehs grob missachtet. Waren wurden verfälscht oder Kirchengut gestohlen. Die Strafen waren dementsprechend drakonisch grausam, sie bestanden in Auspeitschen, Verstümmelung, Blendung, Brandmarkung, Vierteilung, Verbrennung oder Gefängnis im Schulden oder Hungerturm bis zum Rattenloch, Pranger oder Schandpfahl. Für Grenzverletzungen, wie Versetzen der Grenzsteine, gab es an manchen Orten brutale und barbarische Bestrafungen. Den ertappten Übeltäter grub man bis zum Gürtel in die Grube des Grenzsteines, dann spannte man vier Pferde vor einen Pflug und pflügte durch die Brust des Eingegrabenen.

Die Menschen ergötzten sich laut und lebhaft an den grausigen Strafen, die auf großen Plätzen durchgeführt wurden und wohnten mit Freuden Hinrichtungen bei, die man wie ein kleines Volksfest feierte. Das Gute hatte über das Böse gesiegt, der Gerechtigkeit war Genüge getan, selbst wenn das Herz noch so falsch in der eigenen Brust schlug.

In der damals reichen Stadt Augsburg schätzte man den Anteil der Armen, die bettelten, stahlen und arbeitslos herumlungerten, auf ein Sechstel der Gesamtbevölkerung. Sie waren wohl die Hauptakteure und Zuschauer bei den öffentlichen Straf- und Hinrichtungsspektakeln. Allerdings war nicht nur das niedere Volk unehrlich, nein, auch die Vögte und Grafen sahen zu, dass sie stillschweigend ihren ererbten Besitz auf Kosten anderer vergrößern konnten.

Dafür gab es Beispiele in Ettringen; denn Kaiser Karl V. forderte von Hans von Rechberg „10 Mark lötigen Geldes“, wenn er nicht zur Klage Christoph von Knöringens Stellung nähme, der behauptete, er hätte die niedere Gerichtsbarkeit und Hirtenstab im Dorfe Ettringen an sich gezogen (21. Juli 1545). Jedoch bereits ein Jahr später kaufte Hans von Rechberg dem Knöringen den Weiher zu Landeckwaid im Guggemoos (wahrscheinlich nördlich der jetzigen Tussenhauser Straße gelegen) und zwei Weiherlein zu Türkheim (wahrscheinlich die beiden nördlich und südlich des Felderhofs gelegenen) samt der Behausung und Garten ab.

Dem Ritter und Pfandherrn Hansen von Rechberg bewilligte am 18. Dezember 1591 Herzog Wilhelm in Bayern, die niedere Gerichtspflege in Ettringen zu erweitern – sicherlich eine Folge der Auseinandersetzung mit dem von Knöringen – und einen Richter oder Kastner einzusetzen. Im Jahr 1516 muss jedoch auch schon ein Richter in Ettringen ansässig gewesen sein, da er bei einer Schadensregulierung infolge eines Hochwassers tätig gewesen ist, er hieß Hansen Kollin.

Zwanzig Jahre waren nach der erbitterten Bauernrevolte ins Land gegangen, als die Kriegshyäne wiederum in unsere Heimat einfiel. Hauptmann Sebastian Schertlin von Burtenbach zog mit seinen protestantischen Söldnern im Schmalkaldischen Krieg gegen den kaiserlichen Werbeplatz Füssen. Kaiser Karl V., an Gicht schwer erkrankt, musste sogar aus der Hofburg in Innsbruck eiligst nach Tirol flüchten. Mitte Juli 1546 kehrte Schertlin mit seiner Truppe nach Augsburg zurück, verwüstete zwischen Lech und Wertach die Kirchen und verfolgte in blindem religiösem Hass die katholische Geistlichkeit. Ettringen ist dabei anscheinend ungeschoren davon gekommen; denn das protestantische Kriegsvolk zog jenseits der Wertach von Buchloe über Lamerdingen und Langerringen nach Schwabmünchen.

So finster und gewalttätig das 16. Jahrhundert über Europa hinweggegangen war, so regte sich doch allerorten der bäuerliche Fleiß. Überall wuchsen kleinere Höfe in den Dörfern um den Ortskern herum.

Allgemein teilte man die Höfe in folgende Kategorien ein: Ein ganzer Hof hatte etwa 60 Tagwerk mit 4 – 5 Pferden, die die gesamte Feldarbeit bewältigen mussten. Dann gab es den Dreiviertelhof mit 3 Pferden, den Halbhof mit zwei Pferden, auch Hube genannt und schließlich den Viertelhof mit einem Pferde. Der Achtelhof wurde Sölde genannt und der Besitzer war eben der Söldner. Er besaß kaum Land und musste zusätzlich zu seiner Arbeit als Tagelöhner auf einem größeren Hofe seinen Lebensunterhalt verdienen. Die Bezahlung erfolgte hauptsächlich in Form von Naturalien.

Die vorherrschende Armut der Bauern hatte auch in unserer Gegend die handelstüchtigen Juden zum Geschäftemachen angelockt. Sie werden 1566 das erste Mal erwähnt. Ein Stephan Waldinger klagte als aufgestellter Anwalt des Hans von Rechberg gegen die drei Juden Mosis, Jakob und Wossain von Angelberg, dass sie gefahrdrohende Missstände gegen das Familienleben und Staatsleben heraufbeschwören und dadurch die Untertanen einer furchtbaren Verarmung preisgeben würden. Gesagt werden muss in diesem Zusammenhang, dass zu jener Zeit es eine fürstliche Anordnung gab, nach der die Juden wie Wucherer und Geldpresser der Untertanen unnachsichtlich geächtet und verwiesen werden sollten. Abgesehen von der wahrscheinlich starken Übertreibung des Verhaltens der drei geschäftigen Juden und ihrer Auswirkungen muss aber darauf hingewiesen werden, dass sich in diesem Falle der Lehnsherr einen Anwalt nahm, um kleine Leute in seinem Dorfe in Schutz zu nehmen. Allgemein waren bis 1933 in unserer Gegend die Juden als Pferde oder Viehhändler gelitten. Mit einem Juden konnte immer ein Geschäft getätigt werden, oft nicht zum Nachteile des Bauern.

Ausgangs des 16. Jahrhunderts wuchs im benachbarten Markt Wald Christophorus Scheiner heran, der 1597 in Augsburg die niederen Weihen empfing. Er widmete sich vor allem dem intensiven Studium der Mathematik und Astronomie. 1611 entdeckte er die Sonnenflecken, die allgemein in einem elfjährigen Turnus gehäuft auftreten und uns je nach Aktivität warme oder kalte Jahre bringen. Die Forschung auf diesem Gebiete ist bis heute noch nicht zufriedenstellend abgeschlossen.

Ich berichte deshalb von Scheiner, obwohl er kein Ettringer war, weil es damals nur wenige Gelehrte gab. Sie galten viel, da nur einzelne diesen Bildungsgrad erreichten, umso mehr muss man staunen, dass aus dem damals kleinen Weiler ein solcher Mann hervorging. Achtzig Prozent der Menschen waren simple Analphabeten, selbst Adlige und Ritter konnten zumeist weder schreiben noch lesen. Doch im Jahr 1619 wurde vom Herzog von Sachsen Weimar die allgemeine Schulpflicht in seinem Herrschaftsbereich eingeführt. Erst spät, nämlich 1806 erfolgte die Einführung im Königreich Bayern.

Immerhin haben wir die Mitteilung, dass bereits 1551 ein Johannes Martius (der heutige Familienname März) und 1625 ein Georgius Knoll aus Ettringen die Theologische Hochschule in Dillingen besuchten. (Anm.: Angaben von Herrn Striebel)

Damit nähern wir uns bei unserem Gang durch die unruhigen Jahrhunderte dem Jahre 1622. In diesem Jahre verkaufte Kurfürst Maximilian I. die Grafschaft Schwabegg mit Ettringen an die Gebrüder Sebastian und Franz de Füllen zu Windach, Grunerzhofen und Eresing.

Maximilian I., von dem wir bereits gehört haben, Vater von Maximilian Philipp, der Türkheim als Wohnsitz nahm und dort einen kleinen Hof hielt, herrschte während des 30jähringen Krieges in Bayern. Er war ein sittenstrenger Monarch, der seinen Bauern das Tanzen verbot und den Ehebruch unter Todesstrafe stellte. Die Gräuel des schrecklichen Krieges konnte er nicht verhindern, ja nicht einmal schwächen oder mildern. Mit dieser Feststellung treten wir ein in die dunkelste Epoche der Ettringer Geschichte.

<< Inhaltsverzeichnis >>