Das Ortszentrum (Bader)


Ortsansicht 1977

Ortsansicht 1977

Das wichtigste Haus im Ortszentrum neben der Kirche war das Amtshaus, welches dem heutigen Gemeindeamt entspricht. Es stand auf dem Grundstück, auf dem 1961/62 das alte Feuerwehrhaus erbaut worden ist. Auf seiner Nordseite erinnert der Straßenname „Im Amtsgarten“ noch an den ehemaligen Standort. Hier versah der Ammann oder Amtmann seinen Dienst. Gleichzeitig diente das Gebäude als Wohnung für den Gerichts und Gemeindediener. Im Keller befand sich eine kleine Arrestzelle für Diebe, die man erwischt hatte, oder für streunende, tagscheue Burschen.

Der Amtmann wurde früher von dem Lehnsherrn zu seinem Amte bestimmt. Er vermittelte zwischen ihm und den Bauern, er war Richter, Verwaltungsbeamter und hatte die Abgaben einzuziehen. Nicht immer war er ein Mann mit einer sauberen Weste. Gerade in Ettringen erfahren wir, dass 1503 ein Amtmann im Trüben fischen wollte; denn mehrere abhängige Bauern beschwerten sich über ihren Amtmann Peter Kaut, dass er Holzlehen und Bierschenke kassiere. Da oft über Generationen hinweg ein solches Amt in der Familie blieb, müssen wir annehmen, dass der im Kirchenbuch fast 150 Jahre später genannte Bartholomäus Kaut ein Nachfahre des Beklagten gewesen ist. Er war 1657 in Ettringen tätig. Als später der Posten des Amtmannes nach Türkheim verlegt wurde, riss man das Amtshaus ab. Statt des Amtmannes erhielt das Dorf jetzt einen Vorsteher, den man nach 1870 Bürgermeister nannte.

Alter Friedhof, Kindergarten und Molkerei 1957

Alter Friedhof, Kindergarten und Molkerei 1957

Gegenüber, auf dem Platze der ehemaligen Molkerei (St.-Martin-Straße 2), stand das Anwesen des Hofbauern. Wahrscheinlich hat es schon den Edlen von Schwabegg gehört. Der Hof war zehentpflichtig an die Pfarrei in Konradshofen. Da man bei dieser Entfernung dem Hofbauern schlecht auf die Finger schauen konnte, nahm er es mit seinen Pflichten anscheinend nicht ganz genau und zahlte der Einfachheit halber im Jahre 50 Gulden. Als 1838 das Anwesen „zertrümmert“ worden war, warum und von wem ist unerfindlich, kaufte Graf Geldern von Ostettringen um 4000 Gulden den Zehent. 1903 fiel der Hof abermals der Spitzhacke zum Opfer. 

Sterbebild

Sterbebild

An seiner Stelle baute man eine Molkerei. Sie begann im November 1903 mit der Milchannahme und der Produktion von Butter und Weichkäse, nachdem 55 Mitglieder am 29.1.1903 eine Genossenschaft unter dem Namen „Dampfmolkerei Ettringen“ gegründet hatten. Die erste Milch wurde für 10 Pfennige je Liter vom Mitglied abgenommen und 50 Kilo Butter wurden für 127 Goldmark verkauft. Infolge finanzieller und anderer Unstimmigkeiten spaltete sich ein Teil der Milchlieferanten ab und es gründeten weitere 31 Bauern am 12.5.1912 ebenfalls eine zweite Molkereigenossenschaft im heutigen Gemeindeamt. Mündlich wurde mir von älteren Ettringern vor Jahren in diesem Zusammenhang erzählt, dass die täglich angelieferte Milchmenge in der ersten Molkereigenossenschaft mit Kreide an eine Tafel geschrieben worden ist. Dabei soll der Dampf, der in der Käsküche sich immer, besonders im Winter ausbreitete teilweise die Schrift gelöscht, zumindest schlecht lesbar gemacht haben. Hierüber erbosten sich etliche Mitglieder zu Recht, und sie sollen infolgedessen auf eine zweite Genossenschaft gedrungen haben. Der Initiator hieß Magnus Strauß, dessen Bürgerrechts-Urkunde unten eingefügt ist und der seinen Hof zunächst in der Tussenhauser Straße 2 besaß. Er zog dann in das Anwesen auf der Ecke Haupt- Siebnacher Straße, welches einem Giggl gehörte, der den bisherigen Strauß’schen Bauernhof in der Tussenhauser Straße übernahm. Der Gigglhof brannte ab und konnte nicht mehr aufgebaut werden. Diese Landwirtschaft kaufte daraufhin ein Sirch der aus Türkheim zuzog.


Bürgerrechtsurkunde

Bürgerrechtsurkunde

Bürgerrechts-Urkunde

Nach Beschluß der Gemeinde-Verwaltung Ettringen vom 13. d. M. wurde dem Käserei-Oekonomiebesitzer Magnus Strauß von Schwabbruck, wohnhaft dahier, auf sein Ansuchen auf Grund des Heimatgesetzes vom 16. April 1868 / 17. Juni 1896 das Bürger- und Heimatrecht in der Gemeinde Ettringen verliehen.
Nachdem derselbe die festgesetzten Gebühren entrichtet hat, und ihm die Bürgerrechtsurkunde ausgefertigt.

Ettringen den 25 den November 1878
Die Gemeinde Verwaltung
Müller Bürgermstr.

Gebühren:
10 M bezahlte die Gemeinde Schwabbruck, Heimatgebühr
20 M bezahlte Magnus Strauß
L. 20 M Habrag. N 2 81 und 82.


Da gemeinsam vieles besser geht, vereinigten sich 10 Jahre später die beiden Genossenschaften und erweiterten 1929 das Molkereigebäude gegenüber dem jetzigen „Gelben Haus“ (St.-Martin-Straße 1). Allerdings seien auch hier die Folgen der Inflation kurz erwähnt; denn im Oktober 1922 wurde der Preis für Frischmilch auf 35 Mark pro Liter festgesetzt. Den absoluten Höhepunkt der anflutenden Inflation finden wir im Protokollbuch unter dem 9. März 1923. Hier stehen Einnahmen von 26.256.346,60 Mark Ausgaben von 25.914.639,49 Mark gegenüber.

Von 1919 bis 1948 wurde der Betrieb an verschiedene Pächter verpachtet. Durch den starken Flüchtlingszustrom nach dem Zweiten Weltkrieg in unserem Dorf scheint auch die Nachfrage nach Frischmilch Sahne und Käse so zugenommen haben, dass 1948 der Käser Clemens Weber „auf Überlassung von Milch und Molkereiprodukten zwecks Gründung eines Milchgeschäfts“ auf der Ecke Augsburger- und Watzmannstraße die Vorstandschaft bat. Im Jahre 1977 stimmte nochmals die Mehrheit für eine Weiterführung der Genossenschaft in eigener Regie zu. Das ging noch bis zum April 1989, wo man die Produktion gänzlich einstellte und die meiste Milch vom Hof mit einem Tankwagen abholte. Zählte im Jahre 1957 die Genossenschaft noch 121 Mitglieder, so brachten lediglich nur noch 14 von 38 Landwirten im Jahre 1977 in kleinen zweirädrigen Karren das Gemelk ihrer Kühe zur Molkerei. Das war immerhin noch ein Drittel der 12.000 Liter Milch die in Ettringen täglich anfielen. In einer Sitzung am 19. Mai 1989 entschied man sich als Milchaufkäufer für die Molkerei Wiedergeltingen. Schließlich, am 30.11.1991 schloss die Molkerei ihre Pforte; damit ging ein großes Stück dörflicher Geschichte zu Ende. Das Molkereigebäude wurde um eine Summe von 280.000,- DM an eine Familie aus Gennach verkauft.

Die Kuhhaltung hatte gegen Ende des 19. Jahrhunderts allgemein und natürlich auch in unserem Dorf zugenommen und damit auch die Milchproduktion, obwohl seinerzeit ein Bauer schon sehr zufrieden war, wenn eine seiner Kühe im Jahr an die 1500 Liter Milch gab.

Alter Kuhstall

Alter Kuhstall

Die Käseherstellung wurde in größerem Umfange betrieben, und die Milch, die nicht als Trinkmilch verbraucht wurde, konnte in verkästem Zustande gelagert und besser transportiert werden.

Kurz sei ebenfalls ein Hof genannt, der nördlich der Kirche in der Nähe des Kriegerdenkmals stand. Er wurde bei der Erweiterung des Friedhofes im Jahre 1905 abgebrochen.

Gehen wir in der St.-Martin-Straße weiter, so finden wir auf der linken Seite das Haus Nr. 9, in dem ehemals ein Schuster sein Handwerk ausübte und im darauf folgenden Haus Nr. 11 – jetzt ein größerer Neubau – arbeitete der Schneider Leonhard Berchtold, der ein aktiver Turner war, und bei Tanzvergnügen bis in die 60er Jahre hinein Geige spielte. Das Haus Nr. 13/15 errichtete die Gemeinde nach dem Kriege wegen der herrschenden Wohnungsnot für in Ettringen angestellte Lehrer.

Gigglmaier, Pfarrstadel und Schule 1957

Gigglmaier, Pfarrstadel und Schule 1957

Auf der westlichen Seite des ehemaligen Gottesackers steht der Maierhof in der Tussenhauser Straße 2. Zu ihm gehörte wahrscheinlich das ganze Gelände hinaus bis zur Leite und zum Tannenberg. Es wird der Besitz der Ostheimer gewesen sein. In späteren Jahren wurde der Maierhof auch Knollhof genannt. Als der Besitzer Knoll „verdarb“, erwarb ein gewisser Gigl das Anwesen. Aus der Zusammenziehung dieses Namens und der ursprünglichen Bezeichnung Maierhof ergibt sich der heutige Hausname „Giglmaier“. Vor dem jetzigen Besitzer gehörte der Hof der Familie Strauß, die ihn im Jahre 1908 verkaufte und das Grundstück Hauptstraße 9 in Besitz nahm. Strauß baute im Jahre 1912 eine eigene Molkerei, das jetzige Gemeindeamt (Siebnacher Straße 1), wie schon vorher erörtert. Die Molkerei wurde im Jahre 1922 zu Lehrerwohnungen umgebaut.

Gemeindeamt, Siebnacher Straße 1957

Gemeindeamt,
Siebnacher Straße 1957

 

Gegenüber der Kirche, in der Hauptstraße 2 stand das kleine Haus des ehemaligen Dorfbaders. Bader und Schmied, Wagner und Zimmermann waren sog. „ehehafte Gewerbe“, d.h. sie mussten für die Dorfbevölkerung gegen Geld oder Naturalien arbeiten, welche einmal jährlich Anfang Januar zu entrichten waren. So ruhte auf dem Hause des Baders über mehrere Jahrhunderte bis zum Jahre 1869 eine Baderehehaft. Hier befand sich die Badestube, eine hygienische Einrichtung des Mittelalters, da man in den Häusern noch kein Badezimmer kannte. Alle Samstage pflegte man sich dort zu baden. 14 Uhr läutete die Glocke Feierabend, und Knechte, Mägde, Tagelöhner, Bauern und Bäuerinnen gingen in

Rektorhaus mit Schule 1957

Rektorhaus mit Schule 1957

 die öffentliche Badestube, um den Schmutz der alten Woche abzuwaschen. Samstags wurde der Körper gereinigt, um sonntags die Seele vor Gott rein waschen zu können. Vielleicht eine für uns heute primitive Vorstellung; aber die Menschen waren glücklich dabei. Und manchmal könnte man meinen, dass unsere Ahnen die besondere Fähigkeit, glücklich zu sein, mehr besaßen bei all ihrer oft bitteren Armut als wir.

Natürlich kamen beim Baden manche Krankheiten zutage. So avancierte der Dorfbader auch gleichzeitig zu einer Art von Naturheilkundigen. Ja, er war sogar mehr, denn er übte die niedere Chirurgie aus. Im Kirchenbuch finden wir deshalb den Bader Müller, so hieß er, einmal als Bader, einmal als Chirurgus aufgeführt. Was verstand man unter der niederen Chirurgie, und was kurierte so ein Bader? Er öffnete Abszesse, die häufig durch die weitverbreitete Unsauberkeit vorkamen, er wusch frische Wunden aller Art aus, leistete gemeinsam mit der Hebamme Geburtshilfe, setzte Blutegel an und ließ zur Ader.

An dieser Stelle sei kurz auch ein interessantes Kapitel gestreift, nämlich die Eintragungen über die Todesursachen im Kirchenbuch. Bei Kindern lesen wir des öfteren vorwiegend von Krämpfen, meist mit dem Wort „Gichter“ umschrieben. Oft eine Folge von Rachitis, oder es wird die „Dysenteria“ angeführt, ein Durchfall infolge mangelnder Hygiene oder verdorbener Lebensmittel. Natürlich flackerten der Typhus und die Cholera allerorts immer wieder auf durch den Genuss von verunreinigtem Trinkwasser. Mannigfach kommt bei Frauen eine Todesfolge vor, die unter dem lapidaren Begriff „Herzblut“ verzeichnet ist. Hier handelte es sich um arterielle Blutungen nach schweren Geburten, auch im wahrsten Sinne des Wortes als „harte Geburt“ bezeichnet. Was blieb den Menschen damals denn anderes übrig, als das Kind unter Umständen mit Gewalt aus dem oft rachitisch verengten Becken seiner unterernährten Mutter herauszureißen, unter schweren Verletzungen der Geburtswege? Wer denkt heute am geschäftsträchtigen Muttertag wohl daran, dass die Mütter, Großmütter und deren mütterliche Ahnen unter großen Schmerzen nach einer sogenannten „harten Geburt“ an Wundbrand oder Kindbettfieber gestorben sind, damit ihre Kinder, damit wir Nachfahren leben konnten?

Und da muss man sich heute fragen, was haben eigentlich die Mütter früher vom Leben gehabt? Sie haben ohne großes Aufheben ihre teilweise schwere Hausarbeit verrichtet, im Stall und auf dem Felde mühsam gearbeitet und dazu jedes Jahr ein Kind bekommen. Wer hier nach dem Sinn eines solchen Lebens fragt, der kann die Antwort nur in der tiefen religiösen Gläubigkeit des damaligen Menschen finden. Wie aber stand es um die Väter, die plötzlich mit acht oder zehn Kindern beim unerwarteten Tode ihrer Frau allein dastanden? Sie heirateten oft 14 Tage nach dem Hinscheiden ihrer Ehefrau unter dem Hinweis einer kirchlichen Genehmigung, um für die Halbwaisen wieder eine Mutter zu haben und zugleich eine Arbeitskraft im Haushalt und in der Landwirtschaft. Sie kostete nur das Essen, mehr war doch sowieso bei den meisten nicht vorhanden. Das Leben musste weitergehen, der harte Alltag stand vor der Trauer um einen Menschen.

Im Kirchenbuch lesen wir unter dem Jahre 1805 das erste Mal als Todesursache: Krebs. Wahrscheinlich hat es sich um einen Hautkrebs gehandelt, da andere Arten damals kaum diagnostiziert werden konnten.

Einen sehr breiten Raum nimmt auch als Todesursache die Abzehrung, Lungenblutung oder Lungensucht ein. Hier dürfte es sich bei der größten Zahl um Tuberkuloseerkrankungen gehandelt haben, die in der Enge der Behausung von Mensch zu Mensch weitergegeben worden sind oder auch von Mensch zu Tier und umgekehrt. Wie oft lag das Jüngste bei der Mutter im Bett und infizierte sich schon dort.

Auch wird berichtet, dass mehrfach Männer in der Wertach bei Hochwasser oder beim Holzsammeln ertrunken sind, denn dann führte der hochgehende Fluss Äste und teilweise sogar Baumstämme mit sich. Des öfteren wurden Männer im Walde bei der Holzarbeit von fallenden Bäumen erschlagen. Natürlich sind auch einige Fälle verzeichnet, in denen übermäßige Trunksucht zum Tode geführt hatten.

Unter dem Jahre 1843 findet man den Vermerk: „Leister, Augustin, 21 Jahre alt, Wagnerssohn, gestorben im Strafarbeitslager zu München.“ Da keine Todesursache vermerkt worden ist, muss man eine Hinrichtung annehmen, denn sein Bruder Eduard starb wenige Jahre später ebenfalls dort, allerdings steht hier als Todesursache: „Lungensucht“. Was die beiden Wagnerssöhne verbrochen hatten, ist nicht niedergeschrieben worden. Vielleicht waren sie es, die im Jahre 1843 den Bauerssohn Josef Zech aus dem Anwesen Hauptstraße 7 infolge „eines Messerstichs durch das Herz auf der Stelle getötet“ hatten.

Andererseits vermerken die Kirchenbücher auch ein hohes Alter. 1679 wird in Ettringen ein Jakob Hiltenfinger im Alter von 107 Jahren beerdigt, der 50 Jahre lang Soldat gewesen war also ein alter Kämpe aus dem 30jährigen Kriege. Natürlich muss man solche Berichte mit Vorsicht betrachten; denn wer von diesen betagten Analphabeten wusste um sein genaues Geburtsjahr. Ebenso lesen wir im alten Matrikelbuch, dass 1687 der Schmied Michael Brecheisen im Alter von 106 Jahren starb. Auch diese Altersangabe dürfte stark anzuzweifeln sein, dennoch sei sie hier der Vollständigkeit halber erwähnt.

Nach dieser kleinen Abschweifung wollen wir uns wieder dem biederen Dorfbader zuwenden. Sein Gewerbe wurde erst 1548 für zünftig erklärt und damit ein ehrbares Handwerk. Später, gegen Ende des 18. Jahrhunderts, wurde aus dem Bader auch der Barbier, der Bart und Haarschneider. Nach dem Bade oder sonntags vor der Kirche kamen die Männer unter das Rasiermesser. Dafür zahlten sie im Jahre einen ganzen Gulden (ein Gulden hatte 60 Kreuzer oder 15 Batzen; ein Taler hatte 90 Kreuzer), also etwa 10 bis 12 Mark. Die Gemeinde war in dieser Beziehung auch großzügig und tat etwas für die allgemeine Sauberkeit, sie gab dem Bader zur Nutznießung eine Wiese, die sog. „Schermahd“. Natürlich handelte es sich dabei um alte Regelungen betreffs der Rechte und Pflichten der Handwerker aus jener Zeit, als das Dorf sich lediglich selbst versorgen musste.

Nicht verwunderlich ist es, dass die Badestube des Dorfes auch gleichzeitig der Ort war, wo alle guten und schlechten Neuigkeiten ausgetauscht wurden. Der Bader war deshalb der Mann, der am besten wusste, wo den Bürger der Schuh drückte. So finden wir 1824 den Bader Matthias Müller im Amte des Dorfvorstehers. Er war der Großvater des Hauptlehrers Vinzens Müller, der 1926 die erste Chronik von Ettringen geschrieben hat, deren Inhalt in meiner Arbeit mit von grundlegender Bedeutung war. Der Sohn von Matthias Müller, Alois (geb. 1822), hat 46 Jahre lang das Amt des Vorstehers bis 1899 ausgeübt. Die alte, fast historische Badestube ist beim Umbau des Elektrogeschäfts Rindle im Jahre 1968 abgerissen worden.

Durch den Anschluss des Dorfes an die Elektrizitätsversorgung begann im Jahre 1929 Anton Rindle mit der Ausübung des Berufs eines Elektroinstallateurs und eröffnete dann bald ein kleines Elektrogeschäft. So gingen mit der Zeit alte Berufe und Gewerbe ein und an ihre Stelle traten andere. Das hat sich bis zum heutigen Tage nicht geändert. Doch nun wieder zurück zum alten Bader Müller, in dessen Familie Rindle eingeheiratet hatte.

Die Februarrevolution 1848 in Paris hatte auch in Ettringen eine Franzosenfurcht hervorgerufen, erzählte doch noch die ältere Generation ihre Franzosenerlebnisse aus dem Jahre 1796, welche vielen einen Schock versetzt hatte. Vorsteher Müller, der nie Soldat gewesen war, wurde zum Anführer einer Truppe von Männern erkoren, die fleißig anfing zu exerzieren, um gegenüber den revolutionären Franzosen gewappnet zu sein. 

Kirche, Fuchsschmiede, Bader 1957

Kirche, Fuchsschmiede, Bader 1957

Dieser Übereifer war gänzlich umsonst, denn weder in Schwaben noch in Württemberg waren die Franzosen eingerückt. Die bayerische Monarchie bestand zur Zufriedenheit aller weiter, und der blinde Alarm konnte mit beträchtlicher Erleichterung abgeblasen werden.

Schräg gegenüber dem Baderhaus, direkt im Dorfmittelpunkt stand an der südöstlichen Ecke der Kirchhofmauer die „Fuchs Schmiede“, eine alte, ehehafte Schmiede. Auch hier hatte der Schmied den Dorfbewohnern gegenüber seine Aufgabe. Er musste die Pferde beschlagen, die Eisenteile an Pflug und Wagen anbringen, die eisernen Reifen auf die Holzräder aufziehen und zwei Schleifsteine zur Verfügung stellen. Wie für den Bader, so gab es auch für den Schmied eine eigene Wiese, die „Schmied Mahd“. Die Bauern mussten jeweils einen Metzen Vesen und einen Metzen Hafer als Entlohnung für die geleistete Schmiedearbeit abliefern (ein Metzen war gleich 1/8 Schaff, d. h. ca. 25 Liter). Der Besitzer der Fuchsschmiede baute im Jahre 1903 die heutige Schmiede in der Hauptstraße 4. Man erzählt, dass Kinder ihm in seiner exponierten Lage am Kirchhofeck oft die Scheiben eingeschlagen und ihm ab und zu den Wagen mit Kohlen umgeworfen hätten. Dies soll ein Grund gewesen sein, warum die neue Schmiede von der Straße etwas zurückliegend und fast versteckt gebaut wurde. Zwei Tage in der Woche ging der Schmied nach Berg, wo er ebenfalls sein Handwerk ausübte, wie es andere Handwerker, besonders Flickschneider ebenfalls taten, sie gingen auf die „Stöhr“.

Eine andere Schmiede in der Hauptstraße 19 war 1849 errichtet worden. Man nannte sie die „Kreuz Schmiede“, da sie gegenüber dem Kreuze auf der Gabelung Hauptstraße / Hahnenbichlstraße stand. 40 Jahre später wurde sie an die heutige Stelle in der Hauptstraße 14 verlegt.

Nachdem sie in den siebziger Jahren nur noch halbtags geöffnet war, wurde sie im Sommer 1979 ganz geschlossen und anschließend in einen Getränkemarkt umfunktioniert, der im Jahr 2002 in das Kiosk an der Augsburger Straße 4 umzog.

Altes Mesnerhaus 2003

Der ehemalige Besitzer dieser Schmiede wohnte schräg gegenüber der Fuchsschmiede in der Hauptstraße 5. Er war es auch, der 1866 die erste Dreschmaschine in Ettringen erwarb und damit den Anfang des technischen Zeitalters in der Landwirtschaft erkannte. Bis dahin wurde das Getreide entweder mit dem Dreschflegel von den Dreschern in den Stadeln ausgedroschen oder von Pferden ausgetreten. Der Roggen erforderte dabei eine besondere Sorgfalt, da man das Stroh zum Decken der Häuser gebrauchte. Besonders in der kalten Jahreszeit fingen bei Tagesanbruch die Drescher an, ihre Flegel im Takte zu schlagen. Bis in den Abend hinein hörte man das Klatschen der kreisenden Dreschflegel. Wenn man sich vorstellt, dass diese fleißigen Tagelöhner für eine harte Tagesarbeit das oft recht kärgliche Essen umsonst erhielten und höchstens neun Kreuzer (etwa 2 Mark), dann kann man wohl ermessen, wie arm die Dorfbevölkerung im allgemeinen war. (Haider gibt an, dass ein Pferd zwischen 1500 und 1700 ungefähr 10 Gulden kostete und eine Kuh die Hälfte. Zwischen 1700 und 1800 bezahlte man gewöhnlich für ein Pferd 20 – 30 Gulden und für eine Kuh 10 – 20 Gulden.)

Grabplatte am Mesnerhaus vom ehemaligen Adlerwirt Reitmeier

Grabplatte am Mesnerhaus vom ehemaligen Adlerwirt Reitmeier

Neben der ehemaligen Schmiede (Hauptstraße 4) stand ein kleinerer Bauernhof mit der Breitseite zur Wettenstraße hin (Hauptstraße 6). Das Anwesen wurde in den sechziger Jahren abgerissen und dafür das jetzige große Haus erbaut, in dem dann ein Lebensmittelgeschäft eröffnet wurde. Ende der siebziger Jahre schloss der Laden und nach einem Umbau wurde ein zahnärztliche Praxis in diesen Räumen eingerichtet. 

Im Ortszentrum steht westlich der Kirche das gelb angestrichene Mesnerhaus, welches früher auch als Schulhaus diente. In seiner Ostwand, die die Begrenzung des alten Friedhofs bildete, sind einige Grabtafeln in die Mauer eingelassen, unter anderem auch die des ehemaligen reichen Tavernenbesitzers Reitmeier. 

 

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