Die obere und die untere Gasse

 Die Türkheimer Straße nannte man in alter Zeit einfach “die obere Gasse”, die Siebnacher Straße “die untere Gasse”. Gleich rechts erhebt sich in der oberen Gasse der mächtige Giebel des Gasthofs “Adler”, dessen Geschichte an anderer Stelle bereits abgehandelt wurde. Ihm gegenüber steht der Hof Türkheimer Straße 1. Er ist einer der ganz alten Bauernhöfe unseres Dorfes. Leider sind uns über seine bestimmt wechselvolle Vergangenheit keinerlei interessante Mitteilungen überliefert worden.

Die "obere Gasse" (Türkheimer Straße) 1977

Die „obere Gasse“ (Türkheimer Straße) 1977

Etwas weiter oberhalb stand das Häuschen der Türkheimer Botin. (Türkheimer Straße 5) In ihrem Hausgärtchen an der Straße hatte sie im Jahre 1780 die ersten Kartoffeln angepflanzt, etwa 150 Jahre nachdem die Kartoffel in Deutschland eingeführt worden war. (1587 konnte man sie schon im Botanischen Garten in Breslau bewundern, nachdem sie 1565 von Südamerika über England und Irland nach Europa gebracht worden war.) Das Häuschen der Bötin wurde um das Jahr 1900 abgerissen und, wie es früher üblich war, aus den alten Steinen wurde das neue Haus errichtet.

Ortsansicht 1957

Ortsansicht 1957

 

Linker Hand mündet die Herbststraße ein, in der im Haus Nr. 2 sich bis in die 60er Jahre eine Schneiderwerkstatt befand.

Weiter oben auf dieser Straßenseite in der Nummer 11 lebten die Eltern des Prof. Dr. theol. Thomas Specht, der 1847 in Türkheim geboren wurde und 1918 in München verstarb. Er hatte an der Hochschule in Dillingen die Professur für Apologetik und Dogmatik inne. Viele Veröffentlichungen, unter anderem ein Lehrbuch der Dogmatik, zeugen von seinem umfassenden Wissen und seiner besonderen Fähigkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse zu verbreiten. 

Die Häuser zum Ortseingang zu sind erst im 19. Jahrhundert gebaut worden mit Ausnahme der Anwesen Türkheimer Straße 16 und Nummer 14. Im ersten Hause wohnte ein Glaser, der mit der Butte mit Glas über Land ging. Oberhalb war ein ganz kleines Häuschen vorgelagert, welches der “Bette Rosi” gehörte. Im zweiten Haus wohnten ein Schlosser und ein Schäfer.

In der abbiegenden Sommerstraße hatte der Schreinermeister Miller seine Werkstatt errichtet, nachdem er vorher in der Hauptstraße 10 gearbeitet hatte. Nach seinem Tode in den sechziger Jahren übernahm ein Flugmodellbauer für mehrere Jahre die Arbeitsräume.

Einige Meter weiter südlich erstand im Jahre 1993 in der Wiesenstraße der neue Bauhof. Hier hatte die Forstverwaltung mehrere Garagen stehen, die sie nicht mehr nutzte. Die Gemeinde kaufte das verwaiste Areal von etwa 4200 Quadratmetern und errichtete darauf eine schlüsselfertige Halle. Mit Außenanlagen, Tankanlage, Waschplatz, neue Werkzeugausrüstung, Einrichtung eines Büros mit Aufenthaltsraum und der Renovierung der bestehenden Garagen kostete diese wichtige Anlage rund 400.000 DM. Diese Investition war kein Luxus, da der bisherige Bauhof zwischen Friedhof und Freibank in der St.-Martin-Straße 13/15 längst zu klein geworden war.

In den sechziger Jahren baute Emil Mayr eine Kfz-Reparaturwerkstatt mit Tankstelle in der Türkheimer Straße auf der östlichen Seite direkt am Ortseingang. Nach seinem Tode und neuen, teuren Auflagen für dieses Gewerbe schloss die Tankstelle im Jahre 2000. Die Anwesen in der Bachstraße 2/6 und 8 brannten um das Jahr 1810 ab. Bis dahin hatten hier vier kleinere Anwesen gestanden. Nach dem schlimmen Brand wurden jedoch nur drei Höfe wieder errichtet, den vierten Hof baute man jetzt in der Hauptstraße 37. Sein Haus trug deshalb lange Zeit die Hausnummer 4. Das Haus in der Bachstraße mit der Nummer 4 wurde im Jahre 1978 abgebrochen und dafür ein Neubau erstellt. Ebenso schleifte man das kleine Austragshäuschen, welches ganz versteckt hinter dem Hof Bachstraße 16 stand.

Die bäuerlichen Anwesen Türkheimer Straße 4 und 6 gehörten früher zu dem Areal der ehemaligen Taverne, später des Gasthofs “Adler”. Wie schon erwähnt, wurde der Gutshof zum “Neubauer” 1866 abgetrennt und errichtet. Nur wenig später baute der Sohn des damaligen Gastwirts Reitmeier den Hof des “Schnatterbauern”. Er erhielt den Stall und den Stadel, der mit dem Giebel zur Straßenseite steht.

Auf der östlichen Seite der Straße verlief früher offen der Langweidbach, den man dann in den sechziger Jahren mit Betonplatten abgedeckt hat. In Anbetracht des Baues einer Umgehungsstraße, öffnete man in den Jahren 2002/03 den Bach wieder und gab ihm eine neue Bachbetteinfassung, wie auch das Straßenstück zwischen Ortseingang und Einmündung der Tussenhauser Straße gleichzeitig etwas verengt und erneuert wurde. Desgleichen verfuhr man in der Tussenhauser Straße in den Jahren 2004/05. Zudem legte man einen Radweg zur Grotte am Tannenberg an. Die Gesamtmaßnahme belief sich auf € 700.000, – in der Bauleistungen, Grunderwerb, Bepflanzung der Randstreifen, Beschilderung und Markierung enthalten waren. Dabei beteiligte sich der Landkreis für den Geh- und Radweg mit 20% der Kosten. Die Sanierung der Stützmauer des Langweidbachs haben je zur Hälfte Gemeinde und Kreis bezahlt. Überdies bewilligte die Regierung von Schwaben einen Zuschuss zu dem wirklich notwendigen Vorhaben.

Baustelle März 2003

Baustelle März 2003

Parallel westlich zur oberen Gasse stehen noch fünf Höfe, die zum alten Ortskern von Ettringen zählen. Als man das Haus in der Tulpenstraße 4 abbrach, fand man die Balken verräuchert aus einer Zeit, da man hier noch ohne festen, gemauerten Kamin feuerte und den Rauch zu den Giebeln hinausziehen ließ. Man darf rechnen, dass die Höfe dieser Straße mindestens 300 Jahre alt sind, also spätestens nach dem 30jährigen Kriege errichtet wurden. Sicherlich standen hier kleine Sölden von Tagelöhnern, die sowohl beim benachbarten Maierbauer als auch in der Landwirtschaft der angrenzenden Taverne ihre Arbeit verrichteten.

Verlassen wir jetzt den Bereich der oberen Gasse und gehen in die heutige Siebnacher Straße, also in die untere Gasse. Gegenüber dem Gemeindeamt befand sich noch seit alten Zeiten eine Waage, auf der die Viehhändler oder Kohlenhändler ihre Fracht wogen, sie erübrigte sich allmählich und wurde 1983 stillgelegt.

Gleich das zweite Haus hinter der ehemaligen Post auf der rechten Seite, Siebnacher Straße 10, war das Anwesen, in dem früher die “Lang” zu Hause waren. Ihr Hausname Marx Jörgle ist bereits 1837 in einem Steuerabgabenbuch verzeichnet. Im Jahre 1886 zogen sie in den jetzigen Hof in der Siebnacher Straße 12. Der andere Hof wurde von den Vorleiter gekauft und brannte mit dem dahinterliegenden Anwesen im Jahre 1896 ab. Der Brand brach nachts aus ungeklärter Ursache am Kirchweihdienstag im damaligen Hause eines Andreas Kugelmann (Siebnacher Straße 8) aus und griff auf den westlich gelegenen Hof rasch über, da beide Häuser nur etwa zwei Meter voneinander entfernt und mit einem hölzernen Anschlag versehen waren. Als die Saugpumpe den Brunnen beim Vorleiter geleert hatte, spritzte man noch den Inhalt der Odelgrube in das Flammenmeer. Jedoch ohne Erfolg, beide Häuser brannten bis auf die Grundmauern nieder.

Die Lang sind nachweislich eine der ältesten Sippen in Ettringen. Kein 30jähriger Krieg, keine Pest, keine Hungersnot konnte diese Familie bewegen, ihr Heimatdorf zu verlassen. Seit 1622 sind die Lang auch im Matrikelbuch zu finden. In ihrem Besitze befinden sich alte Verkaufsurkunden, z. B. über Käufe von einmädigen Wiesmädern, gekauft von “Maximilian Joseph von Gottes Gnaden, Pfalzgraf bei Rhein, in Ober- und Niederbayern, heiligen römischen Reiches Erztruchseß und Churfürst, wie auch Herzog zu Jülich Kleve und Berg etc.”

Im Übergabevertrag des Georg Lang (geb. 1762) erfahren wir, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits 85 Jahre alt und sein Sohn Martin 43 Jahre alt war. 1799 hatte Johann Georg Lang geheiratet, also mit 37 Jahren. In der noch vorhandenen Heiratsverabredung brachte die Hochzeiterin eine angerichtete Bettstatt, Kasten und Truhe mit in die Ehe, an Gold waren es 250 Gulden (ca. 3000 Goldmark). Dem heutigen Leser dieser Verabredung fällt auf, dass die Bettstatt allem voranstand. Sie war die Zeugungs- und Geburtstatt für die Nachkommenschaft; denn die Jungen mussten den Lebensabend der Eltern sichern und für den Hoferben der nächsten Generation sorgen. 48 Jahre lang war Georg Lang Bauer auf dem Hofe. 1847 übergab er nach “beigebrachtem rentamtlichen Anmeldecertifikat und grundherrlichem Konsense seinem noch ledigem Sohne Martin nach polizeilicher Bewilligung zur Ansässigmachung und Verehelichung in den

Ehemaliges Sägewerk 1957

Ehemaliges Sägewerk 1957

 Steuergemeinden Ettringen, Siebnach und Türkheim gelegenes Söldneranwesen, die sog. Marx Jörgle Sölde usw.” Ein Jahr darauf starb der alte Georg Lang, und erst 1857 heiratete sein Sohn Johann Martin Lang. Am 6. Januar 1862 ging aus dieser Ehe der Gründer der heutigen Papierfabrik Michael Lang hervor. Sein Vater war bei seiner Geburt 58 Jahre alt.
Michael Lang besuchte in Ettringen die Volksschule und fuhr als junger Mann mit seinen zwei Pferden Holz in Schongau für die dortige Papierfabrik. Im Jahre 1888 übernahm er mit seinem Bruder Georg und seinem Vater Johann Martin den Betrieb der hiesigen Dampfsäge, die drei Jahre vorher erbaut worden war. Dieser Anfang war nicht von Glück begünstigt, und man musste verkaufen. Erst im Jahre 1927 kaufte Michael Lang die Säge zurück. 

Der zunächst kleine Betrieb mit wenigen Arbeitern an der Tussenhauser Straße wurde besonders nach Kriegsende gefordert. 1945 arbeiteten auf dem Gelände 15 Mann, 1952 wurde ein großer Kessel eingebaut und 1968 der Betrieb grundlegend modernisiert. Dann erfolgte, man kann sagen eine Blütezeit; denn die Säge war damals wohl das stärkste und modernste Werk in der ganzen Umgebung, welches auch viel exportierte. Im Jahr 1972 brach der Export stark ein, sodass zuletzt nur noch für die Papierfabrik gearbeitet wurde. Genau 100 Jahre nach der Gründung musste das Sägewerk schließen, nachdem nur noch acht Arbeiter beschäftigt waren. 1987 brach man alle Gebäude ab und entfernte die maschinellen Anlagen.

Die Gemeinde kaufte den Grund und Boden für 40,- DM den Quadratmeter in der Welfenstraße, um später ein Feuerwehrhaus darauf zu bauen. Weiterhin suchten die Jugendlichen des Dorfes nach einem geeigneten Treffpunkt. Die Gemeinde erlaubten ihnen das sogenannte Festbüro – ein Überbleibsel aus dem Sägewerkkomplex – zu nutzen. Es wird bis zum heutigen Tage als Jugendzentrum, kurz „Juze“ in Anspruch genommen. Hatten doch die jungen Ettringer in Eigeninitiative inzwischen zum Zusammensein zwei ausrangierte Bauwagen sich eingerichtet. Der eine stand in der Stillerstraße 7, der andere in der Siebnacher Straße 28, der späterhin seinen Standplatz im freien Feld an derHerbstteilstraße fand.

Ehemaliges Aussiedlerheim 2003

Anfang 1992 gestattete die Gemeinde auf dem alten Sägewerkgelände dem Freistaat den Bau eines Aussiedlerheimes mit acht Wohnungen für 75 Personen. Darin sollten deutschstämmige Aussiedler untergebracht werden, die aus Kasachstan und Moldavien nach Deutschland übersiedelten. Gegen Ende des Jahres trafen dann die ersten Russlanddeutschen in Ettringen ein. Die anfangs etwas scheuen Aussiedler lebten sich sehr rasch in die Dorfgemeinschaft ein, hatten doch viele von ihnen in ihrer Heimat ein Häuschen mit einem großen Garten besessen und zum Teil auch Kühe und Schweine gehalten. Häufig wurden drei Generationen einer Familie gemeinsam ausgesiedelt, von denen die Kinder meist erst noch die deutsche Sprache erlernen mussten. Die Nutzungszeit des Übergangswohnheim wurde auf sieben Jahre begrenzt.

Doch nun noch einmal zurück in das Jahr 1890. Das Missgeschick war für Michael Lang indessen kein triftiger Grund zur schnellen Aufgabe seiner ehrgeizigen Pläne.
Die Familiengesellschaft kaufte das Sägewerk in Großaitingen. 1890 schied Vater Martin aus dem Geschäft aus. Nun entwickelte Michael Lang einen Plan, den er wahrscheinlich schon während seiner Fuhrmannszeit in Schongau gefasst hatte. Er wollte eine eigene Holzstofffabrik bauen. Zum einen hatte er die Wertach mit der Wasserkraft sozusagen vor der Haustüre, zum anderen war die Eisenbahnlinie Augsburg-Buchloe gebaut worden, und in Westerringen konnte er den Rohstoff für die Papierherstellung verladen. Dies jedoch ist ein neues Kapitel, welches ich hier einschieben möchte, hat es doch seinen Ursprung in der unteren Gasse gehabt.

Wir waren auf unserem Rundgang in der unteren Gasse beim Langschen Anwesen stehengeblieben. Hinter dem nächsten Hause biegt rechts die Stauferstraße von der Siebnacher Straße ab. Sie war früher eine kleine Sackgasse, in der auf der rechten Seite im HauseStauferstraße 2 ein Korbmacher sein Handwerk betrieb. Im darauffolgenden Hause Stauferstraße 8, welches 1977 abgerissen wurde, wohnte der alte Nachtwächter und Gemeindediener Stork. Er hatte die einsame Pflicht, nachts die vollen Stunden auszurufen und auf ausbrechendes Feuer oder räuberisches Gesindel achtzugeben. Zu seinem Rundgang nahm er eine Lanze mit. Der Weg, der ihn ums Dorf führte, war vorgeschrieben und verlief folgendermaßen:

Die untere Gasse um die Jahrhundertwende

Die untere Gasse um die Jahrhundertwende

Von der Türkheimer Straße ging er durch die Herbststraße, Stillerstraße, Hochstraße zur Hahnenbichlstraße, ein kleiner Weg oberhalb derHahnenbichlstraße 7 führte ihn ein kurzes Stück östlich, dann weiter nach Norden bis zum Ende der Sternstraße. Am HauseSternstraße 7 bog er wieder nach Norden ein und erreichte die Hauptstraße zwischen der Nummer 30 und 32 . Hinter der Hauptstraße 41 ging seine Route nach Westen über die Brühlstraße zur Siebnacher Straße. Hier schritt er bis oberhalb Siebnacher Straße 19, um da in die St.-Martin-Straße einzubiegen. Diese führte ihn zum Amtsgartenweg, den er entlang bis zum Ende ging. Dort betrat er die Schulstraße – die Schulen standen damals ja noch nicht -, kreuzte den Verkehrsgarten zurTussenhauser Straße-Tulpenstraße, die er bis zur Bachstraße 12 verfolgte, um über Bachstraße-Türkheimer Straße 9 den Kreis an der Herbststraße zu schließen.

Nach dem Kriege wohnte in dem Storkschen Hause der allseits bekannte und beliebte nachfolgende Gemeindediener Schwab Heini.

Alte Apotheke in der Stauferstraße

Alte Apotheke in der Stauferstraße

Wie gesagt, war die Stauferstraße in vergangener Zeit eine Sackgasse. Fuhrleute, die aus Siebnach kamen und in Richtung Wertach wollten, mussten über die Staatsstraße (Hauptstraße) fahren. Hatten sie sich in der Sackgasse mit ihrem Pferdefuhrwerk verfahren, war es stets schwierig, mit dem Gespann umzukehren. Deshalb waren alle froh, als nach langen Diskussionen endlich die Stauferstraße zur Staatsstraße verlängert wurde und den Kutschern, die sich nicht auskannten, ein mühseliges Wenden in dem engen Weg erspart blieb, der in Obstgärten hinter den Anwesen Stauferstraße 8 und 5 endete. 

Links hinter dem Hofe Stauferstraße 5, eröffnete in dem kleinen Austragshaus, in der Stauferstraße 13 am 25.9.1950 Apotheker Steinbach die „Engel–Apotheke”. Als Eingang erweiterte man kurzerhand das südliche Wohnzimmerfenster zur Türe und setzte davor eine vierstufige schmale Treppe. Schon nach zwei Jahren verließ Steinbach Ettringen und übergab die Apotheke an Dr. Bernhard Koczian, von dem dann wieder Günther Hakert am 1.11.1959 die Engel – Apotheke kaufte. Hier blieb er bis neue Vorschriften der Apotheken – Betriebsordnung ihn wohl oder übel zwangen eine neue größere Apotheke zu bauen. Sie entstand in der Siebnacher Straße 13 auf dem vorher das alte etwas marode Bauernhaus von Anton Betz abgerissen worden war. Am 12.11.1973 eröffnete Apotheker Hakert stolz seine neuen Geschäftsräume. Im Jahr 2004 wurde die gesamte erste Etage für die Arztpraxis umgebaut, wozu eine Außentreppe und ein Fahrstuhl eingerichtet wurden. Im Jahr 1979 überließ der Hausbesitzer, nachdem drei seiner Kinder beruflich sich anderweitig bildeten, einen Teil der oberen Etage seines Hauses für Praxisräume dem jungen Arzt Dr. Andreas Rohrer, dem Nachfolger des bisherigen Humanpraktikers Dr. Otto Wolf, der seine Praxis in der Hauptstraße 17 bis 1976 ausgeübt hatte.

In der Stauferstraße 9 arbeitete bis 1981 Schreiner Seitz, dessen Werkstatt dann Richard Thalhofer aus Markt Wald übernahm.

Wenn wir die Siebnacher Straße weiter nach Norden verfolgen, so steht rechts in der Kurve der Hof Siebnacher Straße 22. Hier verstarb1812 Ferdinand Stiller, einer der letzten Ettringer Stiller. Schräg gegenüber in der Siebnacher Straße 17 befand sich bis zum Jahre 1839 die Schäfflerei Klotz. Da es in Ettringen viele Obstgärten gab, war das billigste Getränk der ungegorene oder gegorene Apfelmost. Zu dessen Aufbewahrung benötigte man Fässer, die der Schäffler herstellte. Zum Mosten ging man zumeist zum alten Knöpfle Franz in der Hahnenbichlstraße 19.

Auf der Ecke des Grundstücks Siebnacher Straße 23 und St.-Martin-Straße errichtete im Jahr 1990 der Ettringer Trachtenverein ein schönes Feldkreuz. Gegenüber in der Siebnacher Straße 28 hat in den 90er Jahren eine Rohr- und Kunstschmiede begonnen zu arbeiten, nachdem die Landwirtschaft aufgegeben worden war.

Direkt daneben stand auf dem Eck Siebnacher – Grundstraße ein kleines, fast winziges Häuschen welches 1982 abgebrochen worden ist. Es hieß im Dorf “Villa Knie”, weil sein letzter Bewohner der ebenfalls ortsbekannte “Knie Martl” war. Er hatte vorher in einem ebenso kleinen Häuschen am anderen Ende des Dorfes, oberhalb des Grundstücks Meisterweg 5 gewohnt, man kann sagen mehr gehaust.

"Villa Knie"

„Villa Knie“

 Er arbeitete in der Papierfabrik, wobei er sich teilweise von dem ernährte, was andere an Speisen oder deren Reste wegwarfen. Auch leerte er gern zur mitternächtlichen Stunde in den Wirtschaften das sogenannte “Neigele Bier”, dass ihm manchen erheblichen Rausch eintrug, den er anderntags in der Papierfabrik im Altpapier ausschlief. Sein grauer Vollbart verlieh dem Martl ein markantes Aussehen. Und wenn er gerade seine religiöse Phase hatte, dann konnte man meinen ein Heiliger kniete persönlich vor dem Kreuz an der Kirchenmauer. Nichts kann ihn mehr charakterisieren, als die Inschrift auf seinem Grabstein, die da lautet: “Hier ruht in Gott Martin Knie, geboren am 13. Febr. 1909, gest. am 10. März 1981.

Kurz sind unsres Lebens Jahre von der Wiege bis zur Bahre. Ob dich Gold und Seide schmückt, ob dich Kreuz und Elend drückt, alles lässt der Mensch zurück, drum halte dich zu jeder Zeit auf einen guten Tod bereit.”

Am Hof oberhalb in der Kurve der Siebnacher Straße 17 bildete sich in früherer Zeit nach starken Regenfällen ein größerer See, dessen Wasser nur langsam versickerte. Deshalb nannten die Nachbarn den Hofbesitzer spöttisch den Bauern am See. Eine sehr dicke Humusschicht verhinderte das baldige Ablaufen des Regenwassers. Anscheinend hatte früher die Wertach hierher einen Altwasserarm entsendet, in dem sich der angeschwemmte Humus langsam abgelagert hatte.

Der nächste Hof war der schon früher erwähnte Schindelbauer. Etwas weiter oberhalb auf derselben Seite in der Siebnacher Straße 7 hatte der Besitzer das Recht, unterhalb der Brücke zu fischen. Er führte obendrein den Titel des Weihermeisters, und das Anwesen nannte man “zum Fischer”. Das Fischereirecht oberhalb der Brücke lag bei dem GrundstückHahnenbichlstraße 7 Ebenso besaßen das Recht in der Wertach zu fischen der Besitzer des Hauses Hauptstraße 30,Meisterweg 5 und Stillerstraße 6.

Der Urgroßvater des jetzigen Bäckers Lang hatte 1861 mit einer Bäckerei im Anwesen Türkheimer Straße 10 begonnen und zog erst um das Jahr 1890 in das jetzige Anwesen Siebnacher Straße 3, welches 1846 gebaut worden war. In der Backstube verwendete man zuerst Holz, später Torf für den Backofen. Den billigen Torf stach man zwischen Ettringen und Siebnach im sumpfigen Lueß. Erst nach dem ersten Weltkrieg kamen die Braunkohlenbriketts auf. 

Das Haus der Bäckerei Lang, direkt dahinter das strohgedeckte Haus von Knöpfle Franz

Das Haus der Bäckerei Lang, direkt dahinter das strohgedeckte Haus von Knöpfle Franz

Unterhalb der Bäckerei Lang stand etwa nur einen Meter entfernt, Wand an Wand, der Hof von Knöpfle Franz. Beide Höfe brannten am 12. Dezember 1912 total ab, selbst das Vieh kam in den Flammen um. Knöpfle baute daraufhin seinen Hof in der Hahnenbichlstraße 19. Im Garten oberhalb der Bäckerei und neben der Molkerei stehen zwei Birnenbäume, sie werden wohl die ältesten im Dorfe sein, ihr Alter wurde auf etwa 400 Jahre geschätzt. In sämtlichen Übergabeverträgen des Hofes sind sie stets besonders aufgeführt unter dem ausdrücklichen Hinweis, dass sie nicht gefällt werden dürfen. 

Nun verlassen wir diese Straße und betreten wieder die Staatsstraße, die heutige Hauptstraße, auf der wir uns nach links wenden, um in das nächste Kapitel einzusteigen.

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