Gut Ostettringen, Pisterhof


Im Osten Ettringens jenseits der Wertach steht das ca. 300 ha große Gut Ostettringen. Dieser stattliche Schwaighof muss mit dem Dorfe Ettringen durch eine Furt verbunden gewesen sein, ehe die Schwabmünchner Straße gebaut wurde. Bereits 1280 wird der Gutshof erwähnt, er muss damals aus zwei Höfen bestanden haben; denn der Schenke von Otring (in Ettringen bestand, wie schon vorher erwähnt, ein Erbschenkenamt) bezog von beiden die Vogteigefälle.

Gut Ostettringen (Süd-Ost-Ansicht von 1957)

Gut Ostettringen (Süd-Ost-Ansicht von 1957)

1482 hören wir anlässlich einer Streitsache wieder von dem Gute. Es gehörte damals einem Bürger der freien Reichsstadt Kaufbeuren, einem Heinrich Brecheisen, der den Hof 40 Jahre besessen haben soll. Von 1500 an gehörte das Gut der begüterten und angesehenen Augsburger Kaufmannsfamilie der Welser. 1553 erhielten sie das Recht, dort eine Mühle zu bauen und zu betreiben. Das Wasser leiteten sie aus der nahegelegenen Wertach ab und führten es in einem schmalen Graben der Mühle zu, die sich an der Stelle der jetzigen Brennerei befand. Da die Wertach am Gutsfeld öfter größeren Schaden anrichtete, befestigten die Welser selbstherrlich das östliche Ufer. Wir erfahren davon in einer Klage der Gemeinde aus dem Jahre 1570, die bereits vorher besprochen worden ist.

Im 17. Jahrhundert gehörte Ost Ettringen den Herzögen, bis es 1666 dem Kastenamt in Türkheim unterstellt wurde. Ein landesfürstlicher Kornspeicher blieb beim Gut.

Die „Hochfürstliche Schwaige Oster-Ettringen“ wird im Jahre 1674 in einer Rechnung erwähnt und in einem Kommissionsakt bei der Hofkammer in München 1762/63 näher beschrieben. Darin heißt es, dass bis 1762 die Schwaige jeweils für neun Jahre verpachtet wurde und sie ab März 1763 vom kurfürstlichen Pflegeamt in Türkheim in „Cameral Regie“ übernommen wurde. Sie umfasste 179 Jauchert Ackerfeld, 238 Jauchert „einmädige Wisen“, 81 Jauchert „zweimädige Wissen“, knapp 1 Jauchert Gärten, 10 Pferde, 12 Zugochsen, 41 Kühe, 2 Hagen (Stiere), 86 Schweine, 12 Hennen, 2 Gockel, 5 Enten, 10 Gäns.
Die Käseeinrichtungen waren auf verschiedene Räume verteilt und bestanden aus 41 Milchstotzen, 2 Rührfässern, 1 Rahmkübel, 1 Kupferkessel, 1 Salzfass und 1 Schmalzkübel. Die Schwaige trieben 2 Schweizer, 4 Fuhrknechte, 2 Ochsenknechte, 1 Kuhhirt, „2 Buben und 1 Schweinebub“ um.

Für die Butter und Käseherstellung waren damals noch bis zum Jahre 1910 Milchstotzen, auch „Milchbrenthen“ genannt, das wichtigste Inventar. Es waren 10 cm hohe runde Holzgefäße mit 60 cm Durchmesser, die 25 Liter Milch fassten. Hierin kühlte die Milch ab und rahmte auf. Dann wurde der Rahm abgeschöpft und im Butterfass, welches zwischen die Beine geklemmt wurde, mit einem hölzernen Stößel ausgebuttert. Die restliche entrahmte Milch dürfte jeden zweiten Tag mit der übrigen frischen Milch vermischt im Käsekessel in der Küche erwärmt und mit Rehlab eingelabt worden sein. Mit einem Gatter wurde das Geronnene im Kessel zerschnitten und der damit entstandene Käsebruch in einem sog. Käseleinen aus dem Kessel gehoben und in eine runde oder viereckige Holzform gepresst, indem man sie mit einem Holzdeckel nach oben abschloss, der mit Steinen beschwert wurde. Am nächsten Tag nahm man den Laib aus der Form und brachte ihn in den Käskeller, wo er jeden Tag gewendet und gesalzen wurde. Dort lagerte man ihn je nach Sorte bis zu einen halben Jahr. Dann wurde er verkauft.
Die Butter „verhandelte man auf dem Markt“ in Augsburg, den „Schweizer Kaas“ setzte man späterhin über den „Handlmann“ Phillipp Eiber in München ab.

1681 wurde am Gutshof ein herzogliches Brauhaus errichtet. Sämtliche Tavernen und Bierschenken des Herrschaftsgebietes hatten ihr Bier dort zu beziehen. So lieferten 1706 die Ostettringer das Bier auch an die Pfründnerinnen in Türkheim neben dem Kloster.

Diese Einnahmequelle floss für das herzogliche Kastenamt recht gut; denn das Ostettringer Brauhaus erbrachte z.B. im Jahre 1706 eine Einnahme von 4506 fl 35 Kr. Den Hopfen bezog man teilweise aus der Mindelheimer Gegend.

Das Schwaiggut wurde im Laufe seiner wechselvollen Geschichte oft verpachtet. Aus der Aufstellung der Güter der herzoglichen Verlassenschaft von 1709 wird uns der damals angenommene Wert vermittelt. Es heißt dort: „Die Schwaig Oster Ettring, samt dem Brauhaus, wie sie weyland der Herzog Bruder Churfürst Ferdinand Maria, höchstseligen Angedenkhens nur geschenkter übernommen, ist auch der geringste Taxwert von 20.000 fl angenommen worden.“ (Zur damaligen Zeit wurde ein mittelschweres Ross mit 10 fl, ein Halbhof ca. 50 Tgw. mit 80 – 90 fl gehandelt).

Die wechselnden Pächter waren zumeist Angehörige des niederen Adels. So war ein Franziskus Schnizer im Jahre 1730 oberster Verwalter und Oekonom in Ost Ettringen, auch als Domänenpächter bezeichnet. 1743 hören wir von einem Joann Joseph Hilz als Profekt auf der Domäne Ost Ettringen, 1766 ist es ein Joseph Zinsmaister.

Vorwiegend waren die kurzzeitigen Pächter altgediente Haudegen oder verdiente höhere Beamte, denen der Kurfürst einen Ruhesitz anwies und die Verwaltung des Gutes anvertraute. Dies geht unter anderem aus der Inschrift einer Tafel hervor, die in der Kirche von Ettringen eingelassen ist. Danach hat ein Pächter „35 Jahre lang als Truchseß (Oberaufseher über die ganze Hofhaltung) und Oberbereiter in Bayern mit Ruhm gedient“.

1829 gehörte das „Landgut Ost ettringen“ beispielsweise dem Flügeladjudanten Graf vom Paumgarten. Er empfing, wie schon an anderer Stelle berichtet hier seine Königliche Majestät 1829 bei der Durchfahrt durch Ettringen, wobei zum Abschied dem König vom Hausmeister aus dem Graf Paumgartschen Keller ein kunstvoll bekränzter Pokal mit Bier überreicht wurde.

Um 1830 besaß ein Graf Geldern den Hof, der ihn an die Gebrüder Johann verpachtet hatte. Diese Ungetreuen verkauften das gesamte Inventar des Grafen und verschwanden damit bei Nacht und Nebel. In den Jahren 1841 und 1842 wurde der Gutshof durch Feuer zerstört. Hiervon berichtet die Inschrift einer Tafel an der Westseite des Gutshofes. Sie hat folgenden Wortlaut:

„Durch zwei bedeutende Feuersbrünste am 14. Oktober 1841 und am 6. Januar 1842 wurden die meisten Gebäude dieses Landgutes gänzlich zerstört. Mit Gottes Hilfe wurde der Wiederaufbau nach zweckmäßigen Plänen im Monate März 1842 begonnen und schon nach acht Monaten glücklich vollendet.

Bauherr war der Gutsbesitzer M. J. Schenkelberg
Baumeister dessen Bruder Dr. F. G. Schenkelberg
Rechnungsführer der Gutsverwalter A. Borste
Werkleute waren die Maurermeister Sedele und Zimmermeister Prestele, beide von Türkheim“.

Im Jahr 1920 baute man an der Straße nach Hiltenfingen die Gebäude der heutigen „Schafstädel“. Vorher stand an dieser Stelle eine alte ziemlich windige Hütte, die seit langer Zeit von ledigen Schäfern bewohnt worden war. Über hundert Jahre war hier die Schäferei ansässig, bis die umliegenden Weiden als Acker benutzt wurden. Bewohnt wurde der neue Schafstadel von einem Schäfer mit seiner Familie. Jedes Jahr kam einmal der Graf persönlich heraus, um sich jedes Schaf genau anzusehen. Danach aß er mit der Familie gemeinsam an einem Tisch. Späterhin beherbergte das Gebäude Angestellte des Gutes. Erst in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts kam es zu einer grundlegenden Renovierung und Sanierung der Baulichkeiten, in die dann 2000 ein moderner Pferdehof eingerichtet wurde.

Schließlich kaufte 1859 ein Vorfahre des Erlauchten Grafen von Rechberg und Rothenlöwen das Gut um 85000 Gulden (damals der Wert von etwa 250 000 Mark), damit gehörte es zur Gräflich Rechbergschen Domänenverwaltung in Donzdorf.

Die Vorfahren der Rechenbergs waren von 1542 bis 1622 Pfandinhaber der Herrschaft Schwabeck gewesen. Der umsichtige Graf erweiterte nach 1900 sehr bald seinen Ettringer Grundbesitz durch Ankäufe der angrenzen

Gut Ostettringen mit "Schmiedeängerle" (Nord-Ost-Ansicht von 1957)

Gut Ostettringen mit „Schmiedeängerle“ (Nord-Ost-Ansicht von 1957)

den, damals noch sehr ertragsarmen Haus und Moosteile der örtlichen Bauern und Söldner und betrieb da eine intensive Schafzucht.

Bereits 1836 hatte man den Hügel vor dem Gut aufgeschüttet, indem man den Lagerbierkeller hineinbaute. Den Boden für die respektable Erderhöhung holte man aus dem südlich davon gelegenen Schmiedeängerle. Hier hatte rechts vor dem Gesindehaus die Schmiede gestanden. Die Branntweinbrennerei hingegen war älter, sie wurde bereits im Jahre 1790 betrieben. Um das Jahr 1840 wurde dann das fast herrschaftliche Haus auf dem Kellerberg errichtet. Kein Geringerer als Prinz Ludwig der spätere König von Bayern – war 1867 auf dem Kellerberge einquartiert, als in der Ettringer Flur ein größeres Manöver abgehalten wurde. 

In den Jahren 1999 / 2000 richtete man das alte Haus wieder ursprünglich mit seinen zahlreichen Bogenfenstern her, die beiden mächtigen Scheunentore im Osten und im Westen gestaltete man zu Türen um und nach Süden wurde ein breite Terrasse angebaut. Der derzeitige Besitzer Dr. Nikolaus Burkart und sein Verwalter Foldenauer plante und leitete hauptsächlich gemeinsam mit

Café Kellerberg

Café Kellerberg

 seiner Frau den Umbau und die Renovierung zu einem modernen, einem englischen Landhaus nachempfundenen Cafe. Ein großer Saal lädt zu Familienfesten und Hochzeitsfeiern in einem wunderbaren Ambiente ein. So entstand aus einem ziemlich verwahrlosten und heruntergekommenen alten Gebäude ein herrlich gelegenes fast nostalgisches Cafe, benannt nach seinem historischen Namen, nämlich „Kellerberg.“

Im Jahre 1874 stand der rote Hahn des Feuers abermals auf dem Dachstuhl der Stallungen des Gutshofes. Trotz des rasch emporlodernden Feuers war es möglich, 60 bis 70 Mastochsen von den Anbindeketten zu befreien und zu retten. Ein großer Teil von ihnen floh laut brüllend in das Dorf hinein.

Bierbrauerei und Schenke wurden zum großen Leidwesen der Fuhrleute, Boten und auch der Bauern im Weltkrieg 1915 geschlossen. Der Pächter selbst musste zum Kriegsdienst einrücken, und nach dem Kriege war die gesamte Brauereianlage ganz einfach zu klein und zu altmodisch.

Jetzige Brennerei im Gut Ostettringen

Die Brennerei hingegen blieb bis auf den heutigen Tag nach altem Recht bestehen. Zum Gut gehörten außerdem eine eigene Schmiedewerkstatt und eine eigene Wagnerei. Hier kehrten oft die jungen Handwerksburschen ein, die sich auf der Walz befanden und von denen mancher ein Ettringer Mädchen zur Frau nahm.

In den Feldern und Wiesen des Gutes arbeiteten ganze Trupps mit den eigensinnigen Ochsen. Bereits bei Sonnenaufgang schwangen in den Wiesen die fleißigen Mäher ihre Sensen. Die Älteren im Dorfe werden sich noch an den „Schnaps Michl“ erinnern, der ihr Anführer war und der seinen Spitznamen dem Umstand verdankte, dass er während der Winterszeit in der Brennerei des Gutes arbeitete.

Am 1. April 1976 verkaufte der Graf das gesamte Gut mit allem lebenden und toten Inventar und den bereits bestellten Feldern an den Kaufmann Alexander Moksel aus Buchloe, zu dem stolzen Preis von, wie man sagte, 10 Mio. DM. Hier traf er sich manches Jahr mit dem seinerzeitigen Kanzler der Österreichischen Republik Kreisky zum Kesselfleischessen. Im Jahre 1994 verkaufte er das Gut wieder weiter an einen Dr. Nikolaus Burkart aus Regensburg.

Pisterhof vor dem Abbruch 1968

Pisterhof vor dem Abbruch 1968

Pisterhof während des Baues der Senders „Wertachtal“

 

 

Der andere Hof im Osten Ettringens, eigentlich auf Amberger Flur gelegen, ist der Pisterhof. Erst seit etwa 1860 gehörte der ca. 220 ha große Betrieb zum Gut Ostettringen. Er liegt, wie gesagt, auf Amberger Flur und wird im Steuerbuch von 1724 zum ersten Male als „die Pistrich, Amberger Hofmahd“ genannt. Der Name »Pistrich« ist ein uraltes Wort, und seine Deutung ist bis heute sehr umstritten. Erklärt wird unter anderem das Wort aus »Bi-strich«, dem althochdeutschen „strih“ oder dem mittelhochdeutschen „strich“ gleich Bezirk, Streifen Landes.

Ebenso unklar ist die Herkunft dieses Gutes. Vielleicht ist der Hof aus dem Weiler Epfheim hervorgegangen, der 1431 genannt wird und als gemeinschaftliche Weide vor allem für Schafe und Mahd das „Moos“ genannt von Türkheimern, Ettringern, Gennachern und Wörishofern genutzt wurde. Die Kiesböden auf der einen Seite, wie die sumpfigen Stellen auf der anderen ließen nur eine spärliche Weide aufkommen. Deshalb war die Gemeinde Amberg froh, als sie das gesamte Areal um eine geringfügige Summe an den Grafen von Rechberg verkaufen konnte.

Dieser trieb hier zunächst die futtergenügsamen Schafe auf, um dann später dieses Gebiet zu entwässern und mit Kunstdünger, der inzwischen produziert wurde, ertragreicher zu gestalten. Jetzt entstand fruchtbarer Ackerboden, der einen einigermaßen guten Ertrag brachte. Reichlich hundert Jahre später sollte sich im Gebiet des Pisterhofes vieles ändern. Der Graf verkaufte der Deutschen Bundespost die gesamte Fläche zur Errichtung eines großen und modernen Senders.

Am 26. August 1969 blies ein ehemaliger königlich bayerischer Postillion zu seiner festlichen Grundsteinlegung ins Horn. Eine Pergamenturkunde wurde in einen Betonklotz eingeschlossen, auf der folgendes stand:

„36 Tage, nachdem der erste Mensch den Mond betrat, am 40. Jahrestag der Gründung der Deutschen Welle, genau drei Jahre vor der Eröffnung der Olympischen Sommerspiele in München! Diese Sendestelle soll mit ihren leistungsstarken Fünfhundert Kilowatt-Sendern die Stimme der Bundesrepublik Deutschland in der Welt hörbar machen, um den Hörern im Ausland ein politisches, wirtschaftliches und kulturelles Bild vom heutigen Deutschland zu liefern.“

Gittermasten des Kuzwellensenders

Gittermasten des Kuzwellensenders

Das Landschaftsbild im Osten von Ettringen veränderte sich durch die bis zu 125 Meter aufragenden rot weiß gestrichenen 25 Gittermasten erheblich. Zwölf 500 Kilowatt-Kurzwellensender strahlen von hier aus ein deutsches Programm und Nachrichten in vielen Sprachen bis in die entferntesten Länder der Welt.

Die riesige Sendeanlage auf dem ehemaligen Pisterhof wurde im Jahr 1989 mit einem Aufwand von 100 Mio. DM nochmals ausgebaut, damit sie künftig auch der weltweit tätige Radiosender „Voice of America“ mitbenutzen kann. Der amerikanische Sender mit Sitz in Washington will damit Lücken in seinem Sendenetz schließen. Mit diesem weiteren Ausbau wird das Programm der Radiostationen a uf 750.000 Watt verstärkt. Im Zuge der Erweiterung installierten Techniker Leitungen mit einer Länge von 53 Kilometern. Diese sogenannten Koaxialkabel haben einen Durchmesser von fast 25 Zentimeter, sie leiten die gebündelte Energie der Kurzwellen vom Sender zu den insgesamt 74 Antennen in der Nähe der Sendegebäude. Sendungen über Politik, Wirtschaft, Kultur und Technik sollen, in 34 Sprachen übersetzt, ein lebendiges Bild der Bundesrepublik vermitteln, wie es in der Gründungsurkunde bereits ausgeführt worden ist.

 

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